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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — Band 50. Heft 2.
Spring- und Sturmfluten bringen in unregelmäßigen Abständen neues Material (vergl. Seite 10)
und bewirken schließlich zusammen mit der intensiven Vegetation eine Erhöhung bis zu etwa
60 cm über M.H.W.
Die Ontogenie der Grünen Insel im engeren Sinne ist abgeschlossen. Die Entwicklung aber
erfährt auch jetzt noch keinen Stillstand. Sie findet ihren Ausdruck in den mannigfaltigen Er
scheinungsformen des neuen Landes.
Diese sollen im folgenden unter bewußter Ausschaltung menschlicher Einflüße untersucht
werden.
C. Die Grüne Insel als Naturlandschaft
I. Die Oberflächenformen.
Die Grüne Insel ist keineswegs wie ein horizontal gelagertes Plateau dem Inselwattrücken
aufgelagert, sondern zeigt eine — wenn auch nur schwach erkennbare — Neigung von der
Abrasionszone nach der Sedimentationszone hin. Fig. 5 gibt das schwache Gefälle in über
triebener Form wieder. Der nördliche Teil liegt tiefer als der südliche. Dieser ist hinsichtlich
der Entstehung älter und unterliegt heute der Abtragung, jener dagegen ist heute in der Entstehung
begriffen und gewinnt ständig an Ausdehnung und Höhe. Die herrschenden Kräfte sind einander
also gerade entgegengesetzt (vergl. Seite 30^31 und Fig. 10).
1. Das zentrale Gebiet,
a) Alte Prielsysteme und Wannen.
Die genauere Betrachtung der Inseloberfläche zeigt, daß die ohne Eingriffe des Menschen
entstandene Marsch durchaus nicht immer eine ideale Ebene darstellt. lä ). Sie wird besonders durch
die alten, jetzt mehr und mehr verlandenden Priele' 5 ) gegliedert, ferner durch wannenartige Ver
tiefungen mit stagnierendem Wasser und durch unregelmäßiges Zusammenwachsen der Andelpolster.
Die Höhe des Inselplateaus nimmt nach den Inselanwuchswatten hin ab. Die beiden noch funktions
fähigen Priele fließen durch dieses Gebiet in das sogenannte Hundeloch. Sie gleichen in Bau und
Funktion den Vorlandprielen (vergl. Wrage Abb. 4 und 5). Das Bett der alten, jetzt funktionslos
gewordenen Priele ist durch schwache, über die Insel sich hinziehende Depressionen erkennbar.
Nur noch bei den höchsten Wasserständen führen sie Wasser. Zu einer vegetationslosen
Erosionsrinne kommt es in ihnen nicht mehr; die verlandete Prielsenke (jetzt nur noch 5—15 cm
tief) ist vollständig bewachsen.
Anders liegen die Verhältnisse bei den Wannen oder Dellen. Diese geschlossenen Hohl
formen sind meistens von ovaler Form und erreichen eine Größe bis zu 40 qm und darüber,
bei einer durchschnittlichen Tiefe von 30—60 cm. Im Gegensatz zu den alten Prielläufen sind
sie ohne Vegetation. Der Festucarasen macht an ihrem Wasserspiegel Halt. Das Wasser
stammt entweder von der letzten Ueberflutung der Insel u ) oder auch aus der Atmosphäre. Der
Boden der Wanne ist mit einer schwarzen, faulschlammigen Schicht bedeckt und beherbergt in
großem Maße Bakterienkolonien. Das Fernbleiben der höheren Vegetation dürfte auf die Stoff
wechselprodukte dieser Mikroorganismen (Schwefelwasserstoff und zuweilen auch Eisenhydrosol)
zurückzuführen sein. Heftiger Wind kann das Wasser der Wannen in lebhafte Wellenbewegun
gen bringen und das Becken durch Erosion erweitern.
2. Die Randgebiete der Insel.
In den Randgebieten kommen die herrschenden exogenen Kräfte unmittelbar zum Ausdruck.
Wie auf Seite 12 begründet, werden die beiden Hauptarbeitsformen durch Sedimentation
und durch Abrasion gekennzeichnet. (Denudation.)
H) Schütte vertritt folgende Ansicht: ,,Das Land braucht nicht planiert zu werden, es liegt eben da wie ein Tennisplatz!
15) Literatur über Priele: Trusheim, Richter, Schwarz, Jessen, Nienburg, Wrage usw.
16) Es ist nach dem Abfließen des Wassers oder auch durch Niederschläge in ihnen zurückgeblieben.