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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — Band 50. Heft 2.
abgelagerte Material neu zu durch wurzeln und es auf diese Weise zu festigen?
Um dies zu entscheiden, legte ich draußen auf den Watten der Eidermündung Versuchs
gärten an.
Bei ihrer Anlage kam es darauf an, folgende Bedingungen zu erfüllen:
1) die Pflanzen mußten so, wie sie sich selbst gesät hatten, unangetastet stehen bleiben,
2) es mußte zu einer Zeit geschehen, wo die Lebensbedingungen für sie im Optimum oder
nahe davor lagen und
3) Ebbe und Flut mußten nach wie vor ungehindert Zutritt zu den Gärten haben.
Die umgrenzenden Wände der Gärten waren Bretter, die soweit in den Schlick eingeführt
wurden, daß ihre obere Kante etwa noch 5 cm die normale Schlickfläche überragte. Dann nahm
ich Schlick aus der Umgebung, machte ihn mit Hilfe von Wasser zu einer dickflüssigen homogenen
Masse und füllte damit den Rahmen auf. Das war der Vorgang einer künstlichen Sedimentation.
Als das Becken angefüllt war, wurde von außen her an die senkrechten Wände ein
allmählich ansteigender „Deich 1 gebaut, der verhüten sollte, daß vorbei- und darüber strömendes
Wasser Kolke und Strudellöcher an den Ecken des Rahmens bildete. Dann wurden die Anlagen,
die im weiten Gebiet der Watten nicht im geringsten in Erscheinung traten, genau kartiert, um
ein sicheres Wiederauffinden zu gewährleisten, und ihrem Schicksal überlassen.
Nach drei Monaten größten Wachstums wurden die Gärtchen wieder aufgesucht. Ihr Zu
stand war gut.
Manche Flut war über sie hingegangen, das zeigte der Schlickniederschlag auf der
Kante des Rahmens. Der „Deich“ war unbeschädigt und hatte in erwarteter Weise seine Dienste
getan. Und nun das Resultat. In ihrem Habitus zeigten die Pflanzen keinen Unterschied gegen
über denen der freien Umgebung. Sie hatten die überreichliche „Anschlickung“ gesund und
lebensfähig überstanden. Das war aber auch alles.
Der neue Schlick war frei geblieben von jeder neuen Durchwurzelung. Keine Adventiv
wurzeln hatten für die Festigung des neuen Bodens gesorgt. Das erbringt den Beweis, daß der
Queller lediglich den Schlick durchwurzelt und somit aktiv befestigt, den er im embryonalen
Zustand als Keimling vorfindet. Allen später folgenden Niederschlag lassen seine Wurzeln un
beachtet. Lediglich die oberirdischen Sprosse würden bei so starker Sedimentation mit ihren
unteren Teilen zu einer Festigung des Sedimentes beitragen können, allerdings in rein passiver
Wirkungsweise.
Die Leistung von Salicornia herbacea ist also eine andere als die von Festuca
und die der Dünengräser, die neues Material immer wieder neu bewurzeln und mit ihm fort
wachsen. Der Queller dagegen würde bei einer gegebenen Grenze einfach ersticken. Wir sehen
wie konservativ die Leistung des Quellers ist und wie gebunden an das erstmalig Gegebene.
d) Alterstypen oder physiologische Typen von Salicornia herbacea?
Der oben erwähnte Pioniertypus und der Wiesentypus sind ausgesprochene physiologische
Typen und außerdem für den Verlauf der Landbildung die oe kologisch am bedeutsamsten.
Aber entsprechend der oekologischen Mannigfaltigkeit eines Verbreitungsgebietes gibt es auch
eine Fülle von physiologischen Typen. So auch beim Queller. Hier ist kein Raum, um auf
dieselben im einzelnen einzugehen, aber es darf in diesem Zusammenhang auf eine Abbildung
von zwei Salicornien bei R e i n k e in dem oben bereits zitierten Buch (Seite 8 Abb. 5) hingewiesen
werden. Er bezeichnet die größere Pflanze als eine alte, die kleinere dagegen als eine junge.
Läßt sich diese Ansicht Reinke’s, sofern seine Quellerindividuen beide zur gleichen Zeit aus dem
Substrat genommen wurden, was anzunehmen ist, mit der tatsächlichen Entwicklung von
Salicornia herbacea L. vereinbaren?