Dr. Lohr: Flugzengaufstiege. — Hamburg, Oktober 1927 bis Juli 1928.
XI
Luftschraubenantrieb liefert den Strom, der dem Kreisel des Gyrorectors eine Umdrehungszahl
von etwa 300 pro Sekunde erteilt. Zur erhöhten Sicherheit beim Wolkenflug ist außerdem noch
ein von der Firma Pioneer hergestellter Wendezeiger auf dem Instrumentenbrett im Führersitz
angebracht. Nach den Erfahrungen bei den Wetterflugstellen ist durch diese beiden Hilfs
instrumente im Verein mit dem Staudruckmesser und dem Kompaß ein einwandfreies Geradeaus
fliegen und auch ein Fliegen in Kurven innerhalb der geschlossenen Wolkenschichten ermöglicht.
Die Dauer eines Höhenfluges beträgt durchschnittlich eine Stunde und zwar werden zur
Erreichung von 5500 Metern, welche ungefähr die mittlere Höhe der Aufstiege darstellen, bei
gutem Wetter 34 Minuten im Durchschnitt benötigt. Im Abstieg wird diese Schicht in 26 bis 27
Minuten durchflogen. Es ist bereits auf Seite VII darauf hingewiesen, aus welchen Gründen auch
der Abstieg langsam erfolgt. Der gleichmäßige Auf- und Abstieg kommt in den Kurven des
in Bild 3 wiedergegebenen Diagramms gut zum Ausdruck. Bei Schlechtwetterlagen verlängert
sich die Dauer eines Höhenaufstieges aber manchmal ganz erheblich, wenn beim Wolkenflug
ohne Erdsicht eine größere Abtrift erfolgt und die dann meist vorhandene schlechte Sicht das
Wiederauffinden des Heimathafens sehr erschwert. Weite Abtriften kommen verhältnismäßig
nur selten vor: wenn nämlich die Strömungsverhältnisse der Höhe seit dem letzten Aufstieg
sich unerwartet geändert haben und diese Änderung in der Wolkenformation nicht zum Aus
druck kommt. Dieser Fall tritt zum Beispiel ein, wenn die untere geschlossene Wolkenschicht
durch die mit dem Windsprung auitretende Inversion glatt abgeschnitten und der Raum
darüber wolkenfrei ist. Wenn etwas Erdsicht vorhanden ist, so beschränkt sich bei den Höhen
aufstiegen die Entfernung vom Flugplatz auf weniger als 10 Kilometer, um das Anschneiden
andersgearteter Luftkörper zu vermeiden. Sind ringsum gleichartige Wolkenformationen vor
handen, so ist es im allgemeinen ein konstanter Luftkörper, in dem man sich befindet, und es
spielt dann die Entfernung vom Aufstiegsort keine so bedeutende Rolle mehr. In den meisten
Fällen macht es keine zu große Schwierigkeit, verschiedengeartete Luftkörper aus den Dunst
verhältnissen in ihnen und aus der Wolkenstruktur durch Augenbeobachtungen zu unterscheiden,
besonders wenn man über die Wetterlage unterrichtet ist.
4. Die Vereisung des Flugzeuges.
Neben dem Versagen der Bordinstrumente ist beim Wolkenfluge die unangenehmste Gefahr
die der Vereisung des Flugzeuges, da es dagegen kein Schutzmittel gibt, und da man ihr beim
Wolkenfluge nicht aus dem Wege gehen kann.
Über die verschiedenen Arten des Eisansatzes, die Struktur des angesetzten Eises, die
Einwirkung der Vereisung auf die Flugeigenschaften des Flugzeuges und endlich über die
Wetterlagen, die als besonders gefährlich für die Vereisung von Luftfahrzeugen angesehen
werden müssen, ist in den letzten Jahren ein umfangreiches Beobachtungsmaterial gesammelt
und in verschiedenen Abhandlungen veröffentlicht worden. Zur Vermeidung von Wieder
holungen sei auf diese Ausführungen hingewiesen, die sich mit den bei der Wetterflugstelle Ham
burg bisher gesammelten Beobachtungen und Erfahrungen decken 7 .
1 K. Wegener, Met. Zeitschr., 1930, Heft 4. Noth, Das Wetter, 1926, S. 141. Hebner, Erfahrungsberichte d.
dt. Flugwetterdienstes, I. Folge, Nr. 25. Kopp, ebenda, II. Folge, Nr. 1. Koppe, Zeitschr. für Flugtechn. u. Motor
luftschiffahrt, 1929, Heft 14 u. 15. Noth, Arb. d. Pr. acron. Observ., Bd. XVI, 1930. G. Steiner, Met. Zeitschr.,
1930, Heft 9.