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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — 49. Bd., Nr. 10
Die Tabellen 1 bis 3 ergeben auch ein Kriterium für die Verwendungsmöglichkeit des
Materials für klimatologische und synoptische Untersuchungen. Da bekanntlich der vertikale
Temperaturgradient im Laufe des Tages bis 1000 Meter sehr beträchtlichen Änderungen unter
worfen ist und auch die relative Feuchtigkeit bis zum Kondensationsniveau in durchschnittlich
1500 Meter im Laufe des Tages ziemlich stark schwankt, ist das Hauptaugenmerk darauf zu
legen, die Startzeit in den einzelnen Jahreszeiten ziemlich konstant zu halten. Ebenso ist es
auch für eine erschöpfende Bearbeitung des Materials erforderlich, eine möglichst lückenlose
Beobachtungsreihe zur Verfügung zu haben. Die Erfüllung beider Forderungen stellt sowohl
an das technische Können des Flugzeugführers als auch an die Willenskraft der Flugzeug
besatzung erhebliche Anforderungen, da dann wenig Rücksicht auf die bestehenden Witterungs
verhältnisse genommen werden kann. Auch die Dauerhaftigkeit des Flugzeugmaterials wird
dabei auf eine harte Probe gestellt, schon allein wenn die im Laufe von 30 bis 40 Minuten
während des Aufstieges zu überwindende Temperaturdifferenz zwischen der jeweils wärmsten
und kältesten Schicht ins Auge gefaßt wird. Dieser Temperaturunterschied weist einen aus
gesprochenen jährlichen Gang auf. Werden Höhen von 6000 Meter und darüber angeflogen, so
liegt dieser Wert in den Wintermonaten in der Nähe von 30° und in den Sommermonaten bei
zirka 40°. Die größten Temperaturdifferenzen werden meistens im April und Mai angetroffen
und reichen dort nicht selten bis zu 50° heran. Als Minimum der Temperatur im bisherigen
Aufstiegsbetrieb wurden am 16. Januar 1929 in 5500 Meter —49,0° angetroffen.
Ein regelmäßiger täglicher Höhenaufstiegsbetrieb bringt es ohne weiteres mit sich, daß in
vielen Fällen dicke geschlossene Wolkenschichten durchstoßen werden müssen. Nach dem
50jährigen Mittel herrscht über Hamburg in den Morgen- und Mittagsstunden eine mittlere
Bewölkung von 7,2, während das Tagesmittel 6,9 beträgt. Zu diesem hohen Bewölkungsmittel
trägt viel die Einwirkung des Reibungsaufwindes im Küstengebiet bei und außerdem kommt für
Hamburg noch speziell der Umstand hinzu, daß die feuchte Westluft in der beckenartig erweiter
ten Elbmündung ungehindert weit Vordringen kann und erst nahe bei Hamburg das erstemal
aufgestaut wird, wo obendrein noch der wetterverschlechternde Einfluß der Großstadt hinzu
kommt. Im Jahre 1928 waren 46 %>, 1929 45% und 1930 60% der ausgeführten Höhenflüge
Wolkenflüge. Flüge durch lockere Wolkenmassen sind bei diesen Prozentzahlen nicht als
Wolkenflüge mitgezählt, da sie noch zeitweise Erdsicht zulassen; es sind nur solche als
Wolkenflüge bezeichnet, bei denen eine oder mehrere geschlossene Wolkenschichten ohne
jegliche Erdsicht durchflogen werden mußten. Die vertikale Mächtigkeit solcher geschlossenen
Schichten schwankt zwischen wenigen 100 Metern und einigen 1000 Metern. Die dickste,
ununterbrochene Schicht, die bisher in Hamburg durchflogen worden ist, betrug fast 5000 Meter.
Die Bestimmung der Grenzen einer Wolkenschicht ist mitunter mit Schwierigkeiten verbunden.
Ganz abgesehen von den ungenauen Angaben, die der in das Flugzeug eingebaute Höhenmesser
liefert, ist es manchmal direkt unmöglich, die untere Grenze einer Wolkendecke exakt anzu
geben. Man fliegt häufig schon längere Zeit in einer immer dichter werdenden Dunstschicht,
wobei die horizontale Sicht schon bis auf einige 100 Meter herabgesunken ist und hat doch noch
gute Erdsicht. Dann wird beim Höhersteigen schließlich die horizontale Sicht praktisch schon
Null, während man den Erdboden senkrecht unter dem Flugzeug noch schwach erkennen kann.
Es dauert oft geraume Zeit, bis die Erdsicht ganz verschwindet. Wo liegt bei einem so
kontinuierlichen Übergang von einer Dunstmasse zur Wolkenschicht die Wolkengrenze?
Zur Beurteilung der Lage des Flugzeuges im Raume bei solchen Wolkenflügen dient der
Gyrorector (Kreiselhorizont). Ein am Fahrgestell des Flugzeuges aufmontierter Generator mit