G. Baumann: Stromungseinfluß des mitteldeutschen Gebirgsraudes und seine Bedeutung für die Flugmeteorologie dieses Gebietes 47
IV. Zusammenfassung.
Für die Hindernisströmung am Gebirgsrand sind zwei Strömungsarten charakteristisch: Das
Umströmen und das U b e r s t r 8 m c n. Das Umströmen zeigt sich im Stromlinienbild als
Richtungsdivergenz vor dem Gebirge, als Richtungskonvergenz hinter dem Gebirge. Das Überströmen er
zeugt im horizontalen Stromfeld eine Strömungskonvergenz auf der Luvseite, eine Strömungsdivergenz in
Lee. Beide Strömungsarten bestehen nebeneinander, wenn Strömungsrichtung und Streichrichtung der Ge
birge zusammenfallen (dreidimensional), im allgemeinen überwiegt dann das Umströmen. Ist dagegen die
Strömung senkrecht oder nahezu senkrecht auf den Gebirgsrand oder größere Gebirgsmassive gerichtet, so
wird das Hindernis, von den Rändern abgesehen, ausschließlich überströmt (zweidimensional).
Praktisch lassen sich die zweidimensionale und die dreidimensionale Strömungsform nicht immer scharf
voneinander trennen, obwohl jede Windrichtung ihre charakteristischen Strömungsmerkmale besitzt.
Bei nördlichen und südlichen Winden ist am Gebirgsrand die zweidimensionale Strömungsform vor
herrschend, bei westlichen und östlichen Winden dagegen überwiegt die dreidimensionale Strömungsform.
Außer den Wirbeln mit horizontaler Achse, die durch luv- und leeseitige Konvergenz- und Divergenz
linien zum Ausdrude kommen, treten in manchen Fällen auch Wirbel mit vertikaler Achse, sogenante Late
ralwirbel, auf. Am günstigsten scheinen die Bedingungen bei östlichen Winden zu sein.
Sicher spielt bei dem Zustandekommen der Wirbel, insbesondere der Luv- und Leewirbel, der thermo
dynamische Zustand der Atmosphäre eine entscheidende Rolle, doch ist davon zunächst abgesehen.
Auch Windstärke und Windbeständigkeit unterliegen großen Änderungen am Mittelge-
birgsrand. Man beobachtet Gebiete, in denen die Strömung beschleunigt bzw. verzögert wird. Diese „Be-
schleunigungs-“ und „Verzögerungsfelder“ stehen durchaus in gesetzmäßiger Beziehung zur Strömungs
richtung. Ganz ähnlich verhält es sich mit der Beständigkeit der Winde. Es gilt ganz allgemein, daß einer
gewissen Strömungsrichtung stets eine ganz bestimmte Verteilung der Geschwindigkeit und der Beständig
keit entspricht.
Alle drei Faktoren — Windrichtung, Windgeschwindigkeit und Windbeständigkeit — können dazu
herangezogen werden, ganz allgemein die Wirkung des Geländes auf die Strömung zu untersuchen und
im besonderen den Einflußbereich oder die Reichweite des Gebirgsrandes festzulegen.
Dieses rein strömungsmeteorologische Ergebnis läßt sich nun an Hand von Spezial wetterlagen
und auf Grund von Flugerfahrungen bestätigen und ergänzen. Dabei zeigt sich eine gute Überein
stimmung.
Hiermit ist der Beweis erbracht, daß örtliche Schlechtwettergebiete sich auf Strömungsvorgänge zurück
führen lassen und in den Strömungssingularitäten deutlich in Erscheinung treten.
Ferner läßt sich erkennen, daß Aufwinde und B ö i g k e i t, sowie Gewitterbildung und
Gewitterzug an gewisse Strömungsformen gebunden sind. So erweisen sich ganz besonders Lateral
wirbel als Gebiete großer Böigkeit und Häufigkeit von Gewittern, sogenannte Böigkeits- und Gewitter
zentren.
Auch die von den Lufthansa-Maschinen vorgenommenen Zwischenlandungen wegen Wet
ter sind mit den Strömungsvorgängen, der Hindemisströmung, in Zusammenhang zu bringen. Die Not
landeplätze umschließen den Gebirgsrand kranzförmig und fallen mit der erfahrungsgemäß festgelegten
Stauzone vor dem Gebirgsrande zusammen. Sie lassen sich in eine „mittlere“ Linie vereinigen und decken
sich in dieser Weise annähernd mit den Strömungssingularitäten.
Namentlich in dem letzten Beispiel tritt die große Bedeutung der orographischen Strömungsbeein
flussung für die Flugmeteorologie und für die Flugpraxis sehr klar zutage.