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Full text: 49, 1930/1931

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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. 
49. Bd. Nr. 9 
über Hannover nach Nienburg abzieht und an der Weser erlischt. Am gleichen Tage waren im Flachland 
sonst keine Gewitter gemeldet. Dagegen hatten sich am Thüringer Wald Gewitter gebildet, deren Ursache 
wahrscheinlich auch in der aufwärts treibenden Kraft der Strömung zu suchen war. Am darauffolgenden Tage, 
dem 24. Mai 1929, war die Wetterlage annähernd die gleiche geblieben, noch herrschte am Boden eine Ost 
strömung, die allerdings wesentlich schwächer war als tags zuvor. Diese Wetterlage ist deswegen besonders 
interessant, da Verfasser Gelegenheit hatte auf einem Fluge von Erfurt nach Hannover den Gewitterherd 
bei Seesen am Harz zu überfliegen und die Gewitterbildung in den einzelnen Stadien vom Flugzeuge aus zu 
beobachten. Gegen 13 Uhr erfolgte der Start in Erfurt mit einem Fokkcr F 2, Pilot R a d t k e. Da der 
Wind mit der Höhe auf Südost bis Süd drehte, wurden sogleich ziemlich große Höhen aufgesucht. Nach 
verhältnismäßig kurzer Zeit war eine Flughöhe von 1800 bis 2000 m Höhe erreicht, in der es vollkommen 
ruhig war. Schon aus großer Entfernung war der Brocken sichtbar. Gerade voraus, in Richtung Nord 
west, waren mächtige Cu-Ni-Wolken erkennbar, die sich beim Näherkommen als gewaltige Wolkenbank am 
Gebirgsrande darstellten. Bis kurz vor Seesen verlief der Flug ohne jegliche Böigkeit, dagegen setzte sehr 
plötzlich über Seesen eine außergewöhnliche Luftunruhe ein, die sich in gewaltigen Stößen dem Flugzeug 
mitteilte. Die immer näher rückende Wolkenwand und die in der Umgebung erfolgende schnelle Dunst 
und Wolkenbildung zwangen den Piloten, tiefer zu fliegen. Dabei wurde festgestellt, daß die starke Böig 
keit durch einen intensiven Aufwind hervorgerufen wurde, der trotz Drosselung des Motors und Drückens 
der Maschine — die Maschine wurde mit schätzungsweise 20° „auf den Kopf gestellt“ — ein Herunterbrin 
gen des Flugzeuges sehr erschwerte. Erst in der Gegend von Flildesheim ließ die Böigkeit nach, die Maschine 
lag in etwa 800 m Höhe wieder vollkommen ruhig. Gegen 14 Uhr wurde der Nord Westrand des Harzes 
passiert. Außer einiger lokaler Regenschauer bei Hildesheim wurden Niederschläge nicht beobachtet, doch 
war ziemlich sicher zu erwarten, daß es in dem Gebiet des starken Auftriebes zu Gewittern kommen 
müßte, zumal eine sehr schnelle Entwickelung der Kondensation beobachtet werden konnte. Zunächst 
Trübung durch Dunstbildung, dann Entstehung einzelner Nebelschwaden, die sich rasch verdichteten zu Cu- 
Wölkchen, aus denen an manchen Stellen schon stattliche Cu- und Cu-Ni-Wolken hervorgegangen waren. 
Schon um 15,30 Uhr überquerte ein Gewitter Hildesheim, Ost-West ziehend; ein anderes, von Süden 
kommend, um 15,45 Uhr Hannover; etwas später, kurz nach 16 Uhr, meldeten Braunschweig und einige 
Zeit darauf auch Gifhorn Gewitter. Um aber gewiß zu sein, daß die Gewittertätigkeit wirklich am Gebirgs- 
rand begonnen hatte, wurden sogleich nach dem Eingang der Meldung von Hildesheim mehrere in der nähe 
ren und weiteren Umgebung von Seesen gelegenen Orte telephonisch abgerufen. An keinem dieser Orte war 
von Gewittern etwas bemerkt worden. Demnach war sicher die überflogene, auffallend böige „Randzone“ 
Ursache der Gewitterentstehung. Wahrscheinlich erstreckte sich dieses Gewitterzentrum bis vor den 
Deister, da das Gewitter von Hannover fast gleichzeitig mit dem von Hildesheim aufzog. Die Ausstrah 
lung der Gewitter vom Gebirgsrande aus geschah in nordöstlicher Richtung, den Bodenwinden also fast ent 
gegengesetzt. 
Auch in diesem Beispiel wies der Gebirgsrand des Harzes die charakteristische Strömungsform der Ost- 
und Südostwetterlagen auf: Beschleunigte Luftbewegung am Nordhang und die „dazugehörige“ Wirbel 
bildung bei Seesen, kenntlich an dem dort herrschenden Nordwind. Dieser Wirbel mit vertikaler Achse kann 
wohl nicht mehr als Zufallserscheinung angesehen werden, vielmehr ist anzunehmen, daß diesem bis zu einem 
gewissen Grade die starke Luftunruhe und die daraus sich ergebenden Witterungseinflüsse zuzuschreiben 
sind. War doch die Böigkeit gerade im Seesener Gebiet bei weitem am größten. 
In diesem letzten Beispiel kann die vertikale Komponente zum Teil hervorgerufen sein durch ther 
mischen Auftrieb an dem der Sonne zugekehrten Berghang, doch ist aus dem bei Seesen auf den Hang auf 
treffenden Nordwind zu schließen, daß ein dynamischer Auftrieb zumindest mit beteiligt ist an der aufstei 
genden Luftbewegung. In allen übrigen erwähnten Fällen aber ist für die Gewitterbildung der dyna 
mische Auf trieb allein maßgebend gewesen, wofür außer des meist bedeckten Himmels auch die durch 
weg größere horizontale Windgeschwindigkeit sprach. Die dynamischen und thermischen Effekte geben zu 
nächst nur den Anstoß zur aufsteigenden Luftbewegung, für die Gewitterbildung entscheidend ist letzten 
Endes der thermodynamische Zustand, die Schichtung der Atmosphäre.
	        
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