42
Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — 49. Bd. Nr. 9
Winden die Geschwindigkeit durch das Zusammendrängen der Stromlinien am Gebirgsrand so groß wird,
daß dementsprechend die Böigkeit zunimmt.
7. Gewitterbildung und Gewitterzug am Mittelgebirgsrand.
Die außerordentlich heftigen Vertikalbewegungen am Gebirgsrande, die bis in sehr große Höhen sich
auswirken, sind für die Witterungsgestaltung von größter Bedeutung. Zu den Witterungserscheinungen, die
zur Ergründung dieses Zusammenhanges am interessantesten und geeignetesten sind, gehören in erster Linie
die Gewitter. In Defants: „Wetter und Wettervorhersage“ heißt es auf Seite 217: „Bei den kleinen
lokalen Wärmegewittern bemerkt man öfters einen starken Einfluß der Örtlichkeit auf die Bildung und auf
die Zugrichtung der Gewitter. Sie folgen meistens dem abfallenden Terrain, ziehen längs der Berghänge
den ebeneren Gegenden zu und erlöschen, wenn sie sich in der Ebene ausbreiten können“. Hinsichtlich der
Gewitterbildung und Gewitterzüge liegen auch vom Mittelgebirgsrand wichtige Ergebnisse vor, die im
folgenden nur kurz gestreift werden können. Man hat zu unterscheiden zwischen drei Haupttypen:
a) Gewitter (meist Fronten), die aus Nordwest kommen und am Gebirge aufgehalten werden und sich dort
auflösen;
b) Gewitter (Fronten und lokal), die längs des Gebirgsrandes ziehen;
c) Gewitter (meist lokal), die am Gebirge sich bilden (Gewitterherde), sich entweder in Richtung der Strö
mung oder auch strahlenförmig in die Ebene ausbreiten.
Der unter a) genannte Fall tritt am häufigsten auf bei schwachen sommerlichen Kaltlufteinbrüchen, die
wohl zu Gewittern führen, deren Intensität aber nicht ausreicht, den Rand der Mittelgebirge zu überschrei
ten; die flache Kaltluftmasse bleibt also am Gebirgsrand „hängen“. Zwei derartige Wetterlagen folgten
kurz aufeinander im Juni des Jahres 1929. Am 21. Juni 1929 überdeckte ganz Deutschland eine Nordwest
strömung, die zwischen Ems und Weser auf der Linie Lathen—Elsfleth zu Gewittern führte. Es war als
bald eine Front zu erkennen, die kurz nach 12 Uhr Bremen überschritt. Gewittermeldungen liefen nur aus
dem Ems-Wesergebiet ein, woraus hervorging, daß sich die Front südostwärts bewegte; um 14 Uhr hatte
diese den Gebirgsrand, das Wiehengebirge, erreicht; die letzten Gewittermeldungen liefen aus Minden und
Bramsche ein. Damit war die Gewittertätigkeit erloschen. Die Zuggeschwindigkeit ergab sich zu 20 bis
2 j km pro Stunde.
Ganz ähnlich war es am 24. Juni 1929. In diesem Falle aber handelte es sich um eine Gewitterfront,
die auch im Stromfeld als Konvergenzlinie nordwestlicher und südwestlicher Winde hervortrat. Die ersten
Gewittermeldungen von etwa 12 Uhr entstammten wieder demselben Gebiet (Ems—Weser). Um 15 Uhr
verlief die Front von Hannover über Herfort nach Dortmund—Essen. Ein weiteres Vordringen dieser
Front nach Süden wurde nicht beobachtet, wohl aber eine Ausbreitung nach Osten nördlich des Harzes
(in Richtung Hildesheim—Braunschweig), etwa der am Gebirgsrand abgelenkten Strömung folgend, nach
Art der Strömungskarten 3 und 4.
Gewitterzüge längs des Gebirgsrandes sind sehr häufig festzustellen. Sie treten meist bei westlichen bis
südwestlichen Winden auf, wenn die Isobaren west-östlich und wellenförmig verlaufen, also sehr flache
Gewittersäcke bilden. Die Gewittertätigkeit nimmt ihren Anfang häufig im Ruhrgebiet, wahrscheinlich
hervorgegangen aus der bei Südwest- und Westwinden am Sauerland auftretenden Konvergenz und
pflanzt sich am Nordhang des Rothaar-Gebirges in Richtung auf den Harz fort. Vor dem Harz findet
zuweilen eine Spaltung in zwei Gewitterzüge statt, die dem Harz nördlich und südlich ausweichen, ganz
ähnlich der zu beiden Seiten des Harzes beschleunigten Strömung bei west
lichen Winden. Die nördliche Zugstraße über Seesen—Goslar wird jedoch am häufigsten gewählt,
zumal die Gewittertätigkeit in dem Stau bei Seesen (Konvergenz am Westharz) erneut Energie aufnehmen
kann.
Auch am Teutoburger Wald wirkt sich der Stau häufig gewitterhildend aus; es entsteht dann ein
zweiter Gewitterzug, von Osnabrück ausgehend. Es kann Vorkommen, daß dieser und der vom Ruhrgebiet
ausgehende am Weserbergland erlöschen und am Nordwesthang des Harzes eine Neubildung erfolgt, oder
auch beide, miteinander vereinigt, in breiter Front das Wesergebiet überschreiten in Richtung Seesen—Hil