G. Ban mann: Strömungseinfluß des mitteldeutschen Gebirgsrandes und seine Bedeutung für die Flugmcteorologie dieses Gebietes 39
dem Einflußbereich des Rothaar-Gebirges angehört. Außerordentlich scharf begrenzt ist dieses wolkenfreie
Gebiet im Norden.
Die Leewirkung, die bei östlichen bis südlichen Winden im Rhein- und Ruhrgebiet fast regelmäßig fest
zustellen ist, ist auch in fliegerischer Hinsicht von großer Bedeutung.
Recht genau läßt sich der Einflußbereich der absinkenden Luft seiner Intensität nach in der Wetterlage
vom 16. September 1929, xi Uhr (s. Kart. 14), umgrenzen. Der „Kern“ der Aufklärung, Lüdenscheid—Rem
scheid, hat eine Sicht von über 10 km und ist größtenteils wolkenlos. Diesen umschließt ein „Ring“, Düssel
dorf—Arnsberg—Kierspe—Much, mit einer Sicht von 4 bis 10 km und heiterem Wetter. Außerhalb des
selben, längs der Zone Asbach—Köln—Essen—Dortmund—Brilon, nimmt die Sicht auf x km und weniger
ab unter gleichzeitiger Bewölkungszunahme. Offensichtlich handelt es sich hier um eine Leewirkung des
eigentlichen Rothaar-Gebirgsmassivs, das umschlossen ist von der 500 m-Höhenschichtlinie.
Entsprechend der größeren Häufigkeit westlicher Winde überwiegen am Rothaar-Gebirge Stauwetter
lagen. Es sind bekanntlich im wesentlichen zwei Momente, die diese Stauwirkung fördernd beeinflussen:
Der hohe Feuchtigkeitsgehalt maritimer Luft und die Anreicherung der Luft mit Kondensationskernen im
Industriegebiet. Stauwetterlagen im Ruhrgebiet und Sauerland sind eine fast alltägliche Erscheinung
und in Fliegerkreisen allgemein berüchtigt. Demzufolge liegen auch unzählige Erfahrungen darüber vor,
namentlich seitens der Flugwetterwarten Essen und Köln. Diese Stauerscheinung soll daher nur insoweit be
rücksichtigt werden, als sie, wie die vorangegangenen Spezialwetterlagen, für die Ergebnisse der Strömungs
untersuchung von Bedeutung ist. In allen Strömungskarten mit westlichen Winden wurden die größten Ab
weichungen in dem Bezirk Leverkusen—Düsseldorf—Essen—Arnsberg—Kierspe erhalten (s. Kart. 2); auch
prägt sich dieses Gebiet, ebenso scharf begrenzt, in der Geschwindigkeitsverteilung als Stauzone aus. Die Er
fahrung hat nun gelehrt, daß die Stauwirkung des Rothaar-Gebirges tatsächlich in den meisten Fällen und
am intensivsten auf das eben näher bezeichnete Gebiet beschränkt ist, wobei Dortmund im Norden und Köln
im Süden hart an der Grenze dieser Stauzone liegen. Selbstverständlich kommen gelegentlich Staulagen
vor, die sich über den ganzen Gebirgsrand von der Kölner bis zur Paderborner Bucht ausbreiten, doch ist es
durchaus gerechtfertigt, das eben genauer begrenzte Gebiet als „K e r n g e b i e t“ der Staulagen zu bezeich
nen, das von Stauerscheinungen zunächst befallen wird.
Ein typisches Beispiel dafür gibt die Wetterlage vom 16. Dezember 1929: In Westdeutschland herrscht,
dem Druckgefälle entsprechend, eine mäßige Nordwest- bis Westströmung, die Sicht beträgt durchweg
10 km und mehr (günstiges Rückseitenwetter!), doch hat sich infolge Stauung am Westerwald Nebel gebil
det, der das Gebiet Essen—Lüdenscheid—Kierspe—Düsseldorf einnimmt (Sicht unter 1 km, Wolken unter
100 m). In Kevelaer, also westlich des Rheines, ist die Sicht zwar etwas besser (1 km), doch hängen die
Wolken daselbst noch tief herab (100 m). Am Rande des Nebelgebietcs liegen Dortmund, Köln und
Aachen mit 1 bis 2 km Sicht und 600 m Wolkenhöhe. Die Umgrenzung des Nebelgebietes deckt sich sehr
gut mit den Angaben der Strömungskarten, vor allem der Geschwindigkeitsverteilung, die bei nordwest
lichen und westlichen Winden in demselben Gebiet ein Verzögerungsfeld aufwies. Die größte Bremsung
zeigt sich stets im Gebiet Essen—Düsseldorf. Die Bezeichnung „Kerngebiet“ ist mit gleicher Zuverlässigkeit
auch auf Aufheiterungszonen bei Lee-Lagen am Rothaar-Gebirge anzuwenden (vgl. dazu die Wetterlage
vom j6. 9. 29, Karte 14).
Verfasser erinnert sich sehr vieler Wetterlagen, wo den Maschinen Hannover—Essen—Köln ein An
fliegen des Flughafens Essen unmöglich war, während das Wetter Dortmunds für eine Landung noch eben
ausreichte. Von Dortmund aus war nach Köln nur auf dem Umwege über Wesel-Krefeld zu gelangen.
Noch im Spätsommer 1929 häuften sich derartige Wetterlagen und ergaben fast eine Woche hindurch die
eben geschilderte Situation. An einem dieser Tage berichtete Flugzeugführer Helm (Strecke Hannover—
Essen—Köln): Sicht und Wolkenhöhe bis Bielefeld ausreichend, westlich des Teutoburger Waldes aber Stau,
der Sicht und Wolkenhöhe stark verminderte, Staugrenze etwa bei Gütersloh. Weiter westwärts wieder
ausreichende Sicht, jedoch abermalige Verschlechterung kurz vor Dortmund, so daß ein Weiterflug nach
Essen nicht in Frage kam. Nach mehrstündigem Warten war Köln nur auf dem bekannten Schlechtwetter-
kurs unter Umgehung des Ruhrgebietes zu erreichen.