G. Baumann: Strömungseinflnß des mitteldeutschen Gebirgsrandes und seine Bedeutung für die Flugmeteorologie dieses Gebietes 37
eine dem Kamm nahe gelegene Konvergenzlinie und einer leewärts verschobenen Divergenzlinie ist der Be
weis für die am Thüringer Wald und Erzgebirge in hohem Grade gestörte Strömung.
Die Divergenz-Linie deckt sich bezügl. ihrer Lage recht gut mit der früher aus dem Stromfeld erhal
tenen Konvcrgenz-Divergenz-Linie Dresden—Gera—Erfurt—Eisenach, während die Konvergenz, die theo
retisch unmittelbar hinter dem Kamm liegen sollte, relativ weit in Richtung der Strömung (leewärts) „ver
schleppt“ ist. Diese „Verschleppung“ ist wiederum ein Zeichen der unberechenbaren ReibungsVorgänge in
der Natur.
Es ist bemerkenswert, daß trotz des verhältnismäßig geringen Gefälles nach Norden die Strömungs
singularitäten in so vollkommener Weise hervortreten. Entscheidend dafür ist einmal die Windstärke, die
hier 5 msk. beträgt, also nach G e o r g i i 5 ) am günstigsten ist für das Zustandekommen ortsfester Wirbel,
zum anderen die vorherrschend zweidimensionale Strömungsform, die man an einem ausgedehnten Gebirgs-
riegel, wie dem des Thüringer Waldes und Erzgebirges, sicher erwarten kann. Auch geben Art und Grad der
Bewölkung sehr typisch das Vorhandensein von Konvergenz und Divergenz wieder. Die im Bereich der
Hangkonvergenz gelegenen Orte haben zumeist starke Bewölkung und die für das Gehobenwerden von
Luftmassen charakteristische cumulusartige Bewölkung. Von den Kammstationen selbst werden Cu-Ni-Bil-
dungen gemeldet, die wohl Quellformen der noch intensiver gehobenen Luftmassen luvseits des Gebirges
darstellen. Im Gegensatz dazu ist die Divergenzlinie durch meist heiteren und wolkenlosen Himmel ge
kennzeichnet; erst hier also kommt die absinkende Bewegung, der eigentliche Lee-Einfluß, uneingeschränkt
zur Auswirkung.
Die Erscheinung, daß infolge einer ausgedehnten Turbulenzzone, dem Leewirbel entsprechend, ein An
steigen der Stromlinien noch hinter dem Hindernisäquator stattfindet, hat bereits P. I d r a c 12 ) aus
Vermessungen des Aufwindfeldes an einem Höhenzuge gefunden. Welch ungeheuren Ausmaße die leeseitige
Turbulenzzone annehmen kann, geht aus dem zuletzt geschilderten Beispiel wohl deutlich genug hervor. Ein
Vergleich mit den aus den Strömungskarten gewonnenen Ergebnissen aber zeigt, daß es sich um eine den
mittleren Verhältnissen durchaus angepaßte Strömungsform handelt. Die Divergenz hat auch in diesem
Spezialfall dieselbe Lage wie in den abgeleiteten Stromfeldern der Südwest- und Südost-Wetterlagen
(s. Kart, r und 8), entsprechend der Linie Dresden—Gera—Erfurt—Eisenach. Die Einflußzone oder
Reichweite des Erzgebirges und Thüringer Waldes beträgt demnach durch
schnittlich 50 bis 60 km, vom Kamm aus gerechnet.
Von der Auswahl einer typischen Stauwetterlage konnte abgesehen werden, da gerade hierüber zahl
reiche flugmeteorologische Erfahrungen vorliegen. In einem Bericht von J o h n 13 ) über „Niederschlagskarte
und Flugberatung“ heißt es u. a. „Bis Erfurt reichte die Stauwirkung nur noch in abgeschwächtem Maße;
immerhin war hier die Wolkendecke nach Nebel und Dunst am Vormittag mit ihrer unteren Grenze nicht
über 100 bis 150 m gestiegen. Dagegen war das gesamte Gebiet nördlich des Thüringer Waldes vom Vogt
lande über den völlig verhüllten Tannröder Forst (südlich der Linie Weimar—Erfurt) bis nach Eisenach
durch starken Dunst, sehr tiefe Wolken und gelegentlichen Sprühregen eingetrübt“. Audi in diesem Bei
spiel fällt die nördliche Staugrenze mit der bekannten Strömungssingularität Weimar—Erfurt—Eisenach
zusammen. Damit deckt sich recht gut die Festtellung von G e o r g i i 14 ), daß die in Lee des Thüringer
Waldes erzeugte Luftunruhe sich etwa bis in die Linie von Gotha erstreikt und im Flugzeug als Böigkeit
recht deutlich fühlbar ist.
Für das Erzgebirge haben sich in gleicher Weise Erfahrungen angesammelt, die sich ergänzend an die aus
den Strömungskarten gewonnenen Ergebnisse anreihen. Besonders hervorzuheben sind die meteorologischen
Flugerfahrungen der von Dresden und Chemnitz aus über das Erzgebirge führenden Strecken, die von
Bürge r 15 ) zusammengefaßt worden sind. In seinem Bericht über die Wetterverhältnisse der Strecke
Chemnitz—Prag und Dresden—Prag wird u. a. gesagt: „Besondere Beachtung ist dem Nordstau zu schen
ken, weil dieser infolge der allmählichen Abdachung des Gebirges sich über große Streckenteile, unter Um
ständen über die ersten jo km erstreckt . . . Bei starkem Nordstau ist das Gebirge bis zu mittleren Höhen
(400—500 m) herab, nicht selten auch Chemnitz selbst, eingenebelt. . . . Südöstliche bis südwestliche Winde
bringen Stau am Südhange und Föhn über der Nordabdachung des Gebirges. Dieser Einfluß des Gebirges
tritt vor allem bei Aufgleitfronten deutlich in Erscheinung. Der Föhn auf der Nordseite wird so kräftig,