G, Bauroann: Strörmragseinfluß des mitteldeutschen Gebirgsrandes und seine Bedeutung für die Flugmeteorologie dieses Gebietes
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Grenze der „Stauwolkendecke“ am Hils, in der Gegend von Bodenwerder, im Westen etwa am Steinhuder
Meer angetroffen. Um 16 Uhr starteten 3 Maschinen, nach Bremen, Hamburg und Berlin. Auf den
Bremer und Hamburger Kursen schloß die Wolkendecke mit der Allerlinie ab, also etwa 30 km nördlich
Hannover, auf dem Kurs Berlin etwa 40 km östlich Hannover. Nach diesen Angaben war es möglich, die
Lage des Staugebietes von 16 Uhr genau zu umgrenzen (s. Kart. 12). Im Norden erwies sich also wieder
die Aller als Wetterscheide, und zwar war die Begrenzung in sämtlichen Richtungen scharf ausgeprägt: Die
tiefe Bewölkung hörte, wie abgeschnitten, auf und wolkenloser Himmel folgte ringsumher.
Diese Wetterlage ist ein ausgezeichnetes Beispiel einer Staulage am Gebirgsrand bei östlichen Winden.
Danach erstrechte sich der Einfluß des Harzes im Osten bis zur Saale, im Norden bis nach Braunschweig.
Ferner ist erwähnenswert, daß die Umgrenzung des westwärts „gewanderten“ Staugebietes mit bereits be
kannten Wetterscheiden, wie sie sich aus den Strömungskarten ergeben haben und die S e i 1 k o p f 7 ) in
seinen meteorologischen Flugerfahrungen im nordwestlichen Deutschland zuerst beschrieben hat, zusammen
fällt.
Gerade über den Staueinfluß des Harzes liegen zahlreiche Erfahrungen vor. Es ist vielfach beobachtet
worden, daß die Flugstrecke Magdeburg—Braunschweig innerhalb der Stauzone lag. So — um nur einen
Fall herauszugreifen — berichtete der Pilot Schaeffer, der am r. Juli 1929 auf der Strecke Berlin—
Magdeburg—Köln flog, aber wegen Schlechtwetters am Harz (Stau) den Umweg über Hannover wählen
mußte, von außerordentlich schlechtem Flugwetter (aufliegende Wolken, Sicht unter 1 km) im Abschnitt
Magdeburg—Braunschweig, während westlich und östlich dieses Abschnittes das Wetter besser war. Aller
dings nur gering war die Besserung auf dem Streckenabschnitt Braunschweig—Hannover, da hier wahr
scheinlich noch Stau des Weserberglandes wirksam war.
In einem Erfahrungsbericht über die Wetterverhältnisse auf der Strecke Hannover—Schkeuditz teilt
Pummerer 9 ) mit, daß in der Gegend Aschersleben—Hettstedt der Witterungscharakter sehr häufig eine
Änderung in dem einen oder anderen Sinne erfährt. Pummerer führt dies auf die Wetterscheide zu
rück, die in ihrem nördlichen Teil auf der Linie Schwerin—Wittenberge—Gardelegen von S e i 1 k o p f 7 ) aus
seinen „nordwestdeutschen Flugerfahrungen“ erkannt wurde und die, südwärts bis zum Ostharz verlängert,
nichts anderes darstellt, als die Grenze zwischen dem maritimen Westen und dem mehr kontinentalen Osten
Norddeutschlands. Aus den Strömungskarten ließ sich ungefähr in derselben Gegend, an der Saale, eine
Unstetigkeit ableiten, doch ist diese lediglidi auf den Gebirgseinfluß zurückzuführen. Demnach wird es
wohl so sein, daß Gebirgseinfluß und „Strömungsweite“ ozeanischer Luftmassen gelegentlich Zusammen
wirken und die oftmals außerordentlich markante Wetterscheide östlich des Harzes hervorbringen. Voll
kommen eindeutig ist die Wetterscheide im Allergebiet, auf die bereits mehrfach hingewiesen wurde, Es
geht hieraus hervor, daß die am Mittelgebirgsrand deformierte Strömung entscheidenden Einfluß auf die
Witterung ausübt.
3. „Harzlce.“
Die Tatsache, daß bei südlicher Luftströmung der Nordrand des Mittelgebirges eine wolkenfreie Lee-
zone erzeugt, ist längst bekannt und Verfasser aus seinen mehrjährigen Beobachtungen am Flughafen
Hannover durchaus geläufig. Sehr häufig konnte eine Leewirkung bis zur Aller festgestellt werden. Der
artige Lee Wirkungen treten am Harz naturgemäß viel häufiger und ausgeprägter auf. Es gehört zu den be
kanntesten Erscheinungen, daß bei kräftiger südlicher Strömung der Lee-Einfluß bis über Braunschweig hin
aus reicht. Meist äußert sich diese Leewirkung in absteigender Luftbewegung, also wolkenauflösend und
sichtbessernd. Die gleiche auflösende Wirkung auf Nebel beobachtete Eckhard t 10 ) an der Wetterlage
vom 4. Februar 1928, 11 Uhr: Während der größte Teil Mitteldeutschlands mit Nebel bedeckt war, herrschte
bei südwestlichen Winden in Lee des Harzes eine nebelfreie Zone, die sich 60 km weit nordwärts erstreckte.
Im Norden wurde dieses Gebiet begrenzt durch die Aller, im Osten durch Elbe und Saale, im Westen durch
eine zwischen Hannover und Braunschweig nord-südlich verlaufende Linie. Überraschend ist die Überein
stimmung der nebelfreien Zone mit dem geschilderten Staunebelgebiet vom 20. Februar
1929 (s. unter Kap. D, Abschn. 2). Beide bedecken ungefähr ein gleich großes Gebiet, das umgrenzt ist von
Linien, die mit den aus dem Stromfcld abgeleiteten Singularitäten identisch sind.