Skip to main content

Full text: 49, 1930/1931

G. Baumann: Strömungseinfluß des mitteldeutschen Gebirgsrandes und seine Bedeutung für die Flugmeteorologie dieses Gebietes 23 
Verhältnisse jeder einzelnen Station einzugehen, wenn auch Windrichtung und Windstärke vielfach für ihre 
Lage charakteristisch sind. Einige besonders auffallende Strömungsformen seien noch kurz erwähnt. Wie 
aus den Winden von Bodenwerder und Hameln hervorgeht, sind offenbar auch bei dieser Wetterlage die 
Vorgänge am Ith äußerst kompliziert. Hameln, das eine große Streuung erkennen läßt, hat neben Südost- 
und Ostwinden auch West- und Nordwestwinde. Wahrscheinlich kommt zwischen Ith und Süntel eine Wir 
belbewegung zustande, die unter Umständen bis Hameln ausgreift und dort eine rückläufige Bewegung nach 
sich zieht. Die in der Strömungskarte dargestellte Form gibt natürlich nur eine Möglichkeit des Vorganges 
wieder, es kann auch ein Wirbel mit horizontaler Achse vorhanden sein. In den später zu berichtenden 
Flugerfahrungen wird auf diese Verhältnisse zurückgekommen werden müssen. 
Ein Analogon hierzu finden wir in dem Wirbel am Westharz, einer Erscheinung, die sich sehr häufig 
nachweisen läßt und der flugmeteorologisch große Bedeutung zukommt. Die Vorbedingungen für das Zu 
standekommen eines Wirbels mit vertikaler Achse sind hier durchaus gegeben. Entscheidend ist wiederum 
der Steilabfall des Gebirges. Dieser bedingt ein Zusammendrängen der Stromlinien im horizontalen Strö 
mungsfeld, wodurch die hohen Windgeschwindigkeiten von Vienenburg und Goslar erzeugt werden. Die 
dem Gebirgsrand unmittelbar vorgelagerten Stationen Hettstedt und Wernigerode sind ebenfalls durch stär 
kere Winde ausgezeichnet, doch werden die größten Geschwindigkeiten am Nordwesthang des Harzes er 
reicht. In diesem Falle unterstützen sich Ursache und Wirkung. Der dynamische Unterdrück in Lee, also 
westlich des Harzes, stellt einen Sog dar und verursacht eine Zunahme der Winde am Nordrande des Harzes; 
diese wiederum bedingt eine weitere Druckabnahme, indem Luftmassen von Lee mitgerissen werden. Auf 
diese Weise ließe sich die nördliche Komponente des Windes von Seesen als beiziehende Wirkung des Unter 
druckes erklären. Selbstverständlich besteht die Möglichkeit, daß auch die im Süden des Harzes vorbeistrei 
chende, leineabwärts gerichtete Strömung die im Talkessel Seesen lagernde Luft mitreißt; doch ist die mit 
größerer Geschwindigkeit bewegte Luft am Nordhange wahrscheinlich die aktivere. Das gleichzeitige Ein 
wirken beider Luftströme würde das Auftreten eines Leewirbels mit vertikaler Achse nur fördern. In der 
Strömungskarte ist für diesen Fall eine Darstellung gegeben. Daß unter diesen Umständen Windrichtung 
und Windstärke in Seesen großen Schwankungen unterliegen, ist erklärlich. Die Wahrscheinlichkeit eines 
Leewirbels mit vertikaler Achse schließt natürlich die Möglichkeit eines solchen mit horizontaler Achse nicht 
aus. Letzterer wäre, besonders unter Berücksichtigung der in Seesen in einzelnen Fällen vorkommenden 
West- und Nordwestwinden, leicht vorstellbar. Man findet beispielsweise des öfteren Nordwestwinde vor, die 
als rückläufige Bewegung eines Wirbels mit horizontaler Achse angesehen werden können. Vielleicht treten 
beide Wirbelarten gleichzeitig auf und greifen ineinander. 
Dem gegenüber verläuft die Strömung im Norddeutschen Flachland fast ungestört. Ein Einfluß des 
Gebirgsrandes auf die Strömung bleibt bei dieser Wetterlage auf die unmittelbar an das Gebirge angrenzen 
den Gebiete beschränkt. Am auffallendsten ist die Ablenkung am Harz. Wieder zeigt sich die typische 
Divergenz nördlich des Harzes, vollkommen übereinstimmend mit der Ostwetterlage (vgl. Kart. 7 u. 8). 
Diese Ähnlichkeit der beiden Wetterlagen rührt daher, daß die Südostströmung als Leeseitenströmung des 
Riesen- und Erzgebirges, jedenfalls in den unteren Schichten, mit fast rein östlicher Komponente, die Saale 
überquerend, den Harz anströmt. 
Die Konvergenzlinie (eigentlich Konvergenz-Divergenz) im Lee des Thüringer Waldes und Erzgebirges 
ist auf die gleiche Ursache zurückzuführen: Nördlich des Gebirgsrandes besteht eine rein östliche Luftströ 
mung, auf die längs dieser Konvergenz die mit der Oberströmung das Gebirge überquerenden Luftmassen 
auftreffen. Dabei kommt wieder dem Gebirgshang der 300 und 200 m-Höhenschichtlinie eine bedeutende 
Rolle zu. Das ist der Grund, weswegen diese Unstetigkeitslinie bei allen Wetterlagen stets die gleiche, cha 
rakteristische Lage beibehält. 
Es kann nicht genug betont werden, daß diese Erklärungen den Nachteil besitzen, nicht durch 
Messungen des thermodynamischen Zustandes der Atmosphäre gestützt zu sein. Man kann hier also allen 
falls von wahrscheinlichen Vorgängen sprechen. Das, worauf es an dieser Arbeit ankommt, 
darf nicht als restlose Klärung der Strömungsvorgänge aufgefaßt werden, sondern kann lediglich die Hinder 
nisströmung in grober Annäherung bildlich darstellen. Durch ein ausgedehntes Netz von Höhenwindmeß 
stellen ließe sich natürlich schon wesentlich mehr erreichen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.