G. Baumann: Strömungseinfluß des mitteldeutschen Gebirgsrandes und seine Bedeutung für die Flugmeteorologie dieses Gebietes 21
Werra- und Leinetals ausgesetzt. Man beachte die vollkommen entgegengesetzten Winde von Bodenwer
der und Hameln, die möglicherweise einen Wirbel mit vertikaler Achse darstellen (s. Karte 7).
Jedenfalls ist der Ith als ziemlich hoch auf ragender, schmaler Gebirgszug mit steilen, felsigen Hängen ein
günstiges Gebilde zur Auslösung wirbelähnlicher Bewegungen.
Besonders geeignet zur Wiedergabe der Übereinstimmung von Theorie und Praxis sind die Windver
hältnisse von Wehnde bei Ost- und West Wetterlagen (vgl. Kart. 2 u. 7). Wehnde liegt ostnordöstlich der
höchsten Erhebung des Eichsfeldes, des Ohmgebirges. Die Windmessungen dieser Station haben nach Er
fahrung des Verfassers als durchaus zuverlässig zu gelten. Ein auf hohem Turm der Wehnder Warte an
gebrachtes Windmeßgerät liefert eine genaue Registrierung. Bei Westwetterlagen findet man eine Ab
lenkung der Strömung auf Süd, die sich in Wehnde als Südwestwind offenbart. Dieser Gebirgseinfluß
tritt mit großer Regelmäßigkeit auf, wie die Beständigkeitszahlen beweisen. Bei Ostwetterlagen kehren sich
die Windverhältnisse um; die Strömung wird auf Nord abgelenkt und ergibt einen Nordostwind in
Wehnde, der ebenfalls sehr regelmäßig auftritt. Die Ablenkung im Falle der West Wetterlage kommt dadurch
zustande, daß die Strömung am Westhange (Luv) des Ohmgebirges sich staut und infolgedessen nach
Norden ausweicht (Konvergenz), während im Falle der Ostwetterlage westlich des Gebirges (Lee) ein dy
namischer Unterdrück entsteht, der das Einbiegen der Stromlinien veranlaßt (Divergenz). Der eine Vor
gang bestätigt gewissermaßen den anderen, wie die Theorie es fordert. Die Strömungsform am Harz
und am Rothaar-Gebirge bei Ost- und Westwetterlagen ist im Grunde genommen nichts anderes als eine
Erweiterung der Verhältnisse von Wehnde.
Verhältnismäßig geringen Widerstand finden östliche Winde am Thüringer Wald und Erzgebirge.
Dies ist zur Hauptsache wohl damit begründet, daß Streichrichtung und Strömungsrichtung einander nahe
zu parallel sind. Demnach müßten Ost- und Westströmung in diesem Bereich gleichen Charakter anneh
men, was auch in der Gleichartigkeit der Strömungskarten zum Ausdruck kommt (vgl. Kart. 2 und 7). In
beiden Fällen bleibt die Strömung fast ungestört, man kann demnach direkt von einer Umkehrbarkeit der
Strömungsverhältnisse bei westlichen und östlichen Winden sprechen, wobei sich nichts weiter ändert als
lediglich der Strömungssinn. Die Winde von Jena und Altenburg werden sowohl in der Ostwetterlage als
auch in der Westwetterlage durch die Täler lokal beeinflußt. Äußerst interessant ist das schon früher be
obachtete Anströmen zum Gebirgshang mit fast senkrechter Komponente. In der Westwetterlage tritt dies
namentlich am Erzgebirge auf, in der Ostwetterlage in sehr ausgesprochener Weise am Thüringer Wald,
ganz wie die dynamisch bedingte Drucküberlagerung es fordert.
Der mit dem Harz und Weserbergland nach Norden vorspringende Teil des Gebirgsrandes prägt sich
naturgemäß sehr erheblich in der Strömungsform aus. Die Spaltung der Strömung östlich des Harzes wurde
bereits erwähnt, insbesondere die auf Süd erfolgte Ablenkung zwischen Elbe und Harz, die als ein Auswei
chen der Bodenströmung nördlich des Gebirgsrandes anzusehen ist. Die zwischen Harz und Thüringer Wald
hindurchströmende Luft trifft auf bergisches Gelände und wird beim Überqueren desselben in ein höheres
Niveau gehoben. So kommt es, daß beim Verlassen des Berglandes, in der Münsterer Bucht, in den
unteren Schichten ein Mangel an Luftmassen (Unterdrück) vorhanden ist, der ausgeglichen wird durch eine
nordöstliche Unterströmung (Osnabrück, Lippstadt, Münster und Cleve), die dem überschüssigen Lufttrans
port nördlich des Gebirgsrandes entstammt. Auf diese Weise ist das Divergieren der Strömung im Bereich
des Wiehen-Gebirges und Teutoburger Waldes zu erklären (s. Kart. 7). Wahrscheinlich ist diese Strömungs
form auf die untersten Schichten beschränkt. Auch bei westlichen Winden, also entgegengesetztem Strö
mungssinn, trat das Ausweichen der Unterströmung am Mittelgebirgsrand deutlich in Erscheinung.
Ebenso scharf wie West- und Nordwestwetterlage heben sich Ost- und Nordostwetterlage voneinander
ab. Die Strömungsformen ändern sich grundsätzlich, sobald Winde nördlicher Komponente auftreten. Da
gegen sind sich Ost- und Westwetterlage sehr ähnlich. Dies kommt in der Skizze 6 sehr klar zum
Ausdruck. Thüringer Wald und Erzgebirge beeinflussen eine Strömung westlicher oder östlicher Rich
tung in weit geringerem Maße als Strömungen mit Nordkomponente. Die Unstetigkeit, die sich am Hang
des Thüringer Waldes zeigt, hat nicht die allgemeine Bedeutung, wie die sonst vorhandene Thüringer
Wald-Erzgebirge-Singularität. Am Harz greifen zweidimensionale und dreidimensionale Strömungsform
ineinander, doch ist die letztere vorherrschend. Am Rothaar-Gebirgc liegen die Verhältnisse genau so,