Dr. Gretel Satow : Das Bodeneis in der Arktis. Tatsachen und Hypothesen. 35
Uebersicht über die vorhandenen Theorien.
Eiszeit = I Spalten = II Schneewehen = III Seen = IV Quellen = V
Toll
Bunge
Tolmatschew
Turner
Tyrell
Obrutschew
Collie
Lamansky
Dali
VV ollosowitsch
Hooper
Philipp
Smith
Grigoriew
Leffingwell
Rabot
Russel
Koppen-Wegener
Smith
Mendenhall
Roussanof
Brooks
Moffit
Maddren
An der Grenze vom
Eisboden — VI
Abscheidungen im
Auftauboden = VII
Abscheidungen unter
Moos = VIII
Aufeis = IX
Beicher
Hohnsen
Hogbom
v. Drygalski
10. Kapitel.
Stellungnahme zu den angeführten Beobachtungen
und Theorien.
Das Hauptarguinent, daß die erste Gruppe: Toll. Obrutschew, Grigoriew, Koppen-Wegener für
eine Vergletscherung des nördlichen Sibiriens anwenden, ist die Kornstruktur des Neusibirischen
Bodeneises. Ist dieser Beweisgrund unanfechtbar ? Nein, wir brauchen nur v. Drygalski‘s Beobach
tungen in Grönland und im arktischen Inlandeis naher anzusehen, v. Drygalski hat festgestellt, daß
die Kornstruktur eine Eigentümlichkeit aller Eisarten ist. Trotzdem ermöglichen oft die besonde
ren Einzelheiten dieser Kornstruktur eine Unterscheidung verschiedener Eisarten, so daß Bacheis,
Seeeis, Fjordeis und Schneeeis nach ihrem Ursprung getrennt werden können. Aber oft ist dies auch
nicht der Fall.
Im allgemeinen sind die Unterschiede 1) an der verschiedenen Ausbildung der Kornstruktur und
2) an der kristallographischen Orientierung der einzelnen Körner erkennbar. Wasser erstarrt in
Platten, die Kornstruktur entsteht durch Aneinanderlagerung und Verdickung dieser Grundkristalle.
Beim See-, Fjord- und Bacheis kommen lange, plattige Körner vor. Diese Formen bilden sich
an der Oberfläche des Wassers. Die Lagen unter der Oberfläche werden durch die Form der klum
pigen Stengel charakterisiert. Die Körner oder Plattenbündel verhalten sich optisch entspre
chend wie die einzelne Platte.
Das Gletscherkorn aber entsteht aus dem Wachstum einer einzelnen Platte, es fehlt ihm daher
gewöhnlich jede regelmäßige Umgrenzung; aber auch hier kommen plattige Körner vor, doch sind sie
meist kürzer und unregelmäßiger umgrenzt als die Körner des Wassereises. Im Gletschereis kommen
außerdem stets verschiedene Größen und Formen nebeneinander vor, während bei dem Wassereise
innerhalb derselben Fismasse in Beziehung auf Größe und Gestalt eine gewisse Einheitlichkeit
herrscht.
Optisch zeigt sich beim Gletschereis eine mannigfaltige, kristallographische Orientierung der
einzelnen Körner.
Wenn so auch die Möglichkeit besteht, das Eis meistens nach seiner Entstehung zu erkennen, so
sind doch Ausnahmen vorhanden, v. Drygalski beobachtete folgendes: „Der Bach des Nome Glet
schers, bei welchem ich die regellose Anhäufung kleiner Eisplättchen auf der Oberfläche des vorher
gebildeten Taleises beobachtete, hatte später unregelmäßig umgrenzte Körner von der Größe einer
Erbse bis zu der einer kleinen Bohne, wie es der Größe der Plättchen entsprach. Bei dem Absatz
derselben wurden wenige gleichmäßig gestellt, die meisten stockten in den seichten Wasserfäden,
welche die Oberfläche überrieselten, an irgend einem Hindernis in verschiedener Stellung. Dadurch,
daß die Zwischenräume zwischen den Plättchen ausfroren, wurden diese zu Körnern erweitert, wel
che von denen des Inlandeises nach Form und Orientierung nicht zu unterscheiden