I. Einleitung.
1. Plan.
Von den aerologlschen Forschungsfahrten, die die Deutsche Seewarte, eingedenk ihrer all
umfassenden Aufgabe im Dienst des Ozeanverkehrs, seit dem Jahre 1922 unternommen hat,
gingen die ersten drei in den Jahren 1922 und 1923 nach Cuba-Mexiko. Die fünfte bis siebente
Fahrt führte nach dem Karibischen Meer und der Nordküste Südamerikas; die siebente hatte die
besondere Aufgabe, die letzten nördlichsten Querschnitte der „Meteor“ - Expedition gleichzeitig
nach Westen hin zu ergänzen. Nur mit der vierten Forschungsfahrt im Jahre 1924 nach dem La
Plata griff die Deutsche Seewarte über ihr näheres Arbeitsgebiet, den Nordatlantik, hinaus weit
nach Süden vor.
Frühjahr und Sommer 1927 hatten jenen beispiellosen Ansturm zur Bezwingung des nord
atlantischen Ozeans gebracht, der nach einigen geglückten Wagnissen bald schweres Mißlingen
brachte. Man mußte erkennen, daß es noch etwas verfrüht war, mit dem Flugzeug dauernd die
schnelle Brücke zwischen Europa und Nordamerika zu schlagen und wandte sich anderen Wegen
zu, auf denen größere Stabilität der atmosphärischen Vorgänge den derzeitigen Mitteln der Technik
leichteres Gelingen versprach. Die Ziele Major Franco’s, de Pinedos und Sarmiento Beires traten
wieder in den Vordergrund und Luftverkehrsprojekte Spanien—Südamerika schienen greifbar sich
zu gestalten. Diesen neuesten Tagesförderungen entsprach die Deutsche Seewarte durch Ent
sendung ihrer achten Forschungsfahrt nach der Küste Südamerikas, nach Brasilien und dem La
Plata. Zwar war erst im Frühsommer desselben Jahres die Deutsche Atlantische Expedition auf
dem Forschungs- und Vermessungsschiffe „Meteor“ mit reicher Ausbeute an aerologischemMaterial in
die Heimat zurückgekehrt. Dieses Material erstreckte sich über den ganzen Südatlantik und seine
beiderseitigen Küsten. Während aber die Schnitte der „Meteor“ - Expedition den Atlantik vor
wiegend in west-östlicher Richtung kreuzten, sollte die 8. Forschungsfahrt einen Schnitt mehr in
nordsüdlicher Richtung, direkt entsprechend der Flugroute Spanien—Brasilien—Argentinien legen.
Auch konnte bei der großen Masse des „Meteor“ - Materials seine Nutzbarmachung nicht so rasch
erwartet werden, wie dies bei einer kürzeren Studienfahrt mit dementsprechend weniger Material
möglich schien.
Zu diesen Erwägungen kam ein besonderer Gliickszufall, der für die Wahl der Reiseroute
nach Südamerika den letzten Ausschlag gab. Einige Zeit vorher hatte sich in Brasilien mit dem
Sitze in Rio de Janeiro eine Deutsch - Brasilianische Fluggesellschaft begründet, das „Syndicato
Condor“, eine Schwestergründung der Deutsch-Kolumbianischen „Scadta“. Zum Teil standen die
selben deutschen Männer an der Wiege dieses neuesten Werkes deutschen Unternehmungsgeistes,
die die „Scadta“ in Kolumbien hochgebracht und hochgehalten hatten. Wie damals eine Ein
ladung der „Scadta“ die sechste Forschungsfahrt der Seewarte hinausgerufen und ihr ein
so reiches und überaus dankbares Arbeitsfeld geschaffen hatte, so erging jetzt von
seiten des Condor - Syndikates die Einladung an die Deutsche Seewarte, wiederum
Meteorologen auszusenden zur Erforschung der Luftströmungen in Rio und an der brasi
lianischen Küste, unter besonderer Berücksichtigung der Bedürfnisse des dortigen Luft
verkehrs. Zu diesem Zwecke sollten die Meteorologen als Gäste des Condor-Syndikats für längere
Wochen in Rio weilen, um besondere Verhältnisse, mit denen ein Luftverkehr dort zu rechnen hat,
an Ort und Stelle, sowie auf Fernflügen kennen zu lernen. Der ganze Expeditionsplan war also ein