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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — 49. Bd. Nr. 3.
Mithin dürfte es also eine Anzahl von Witterungserscheinungen geben, die auf Grund vorhan
dener Meldungen nicht oder nur unvollkommen erfaßt werden können. Dies macht naturgemäß eine
erhöhte Aufmerksamkeit erforderlich, um so mehr, als auch die vorhandenen Meldungen der Land
stationen sehr oft kein klares Bild der Sachlage ergeben, was durch die Eigenarten der topographischen
Lage des betreffenden Platzes bedingt wird. Außerdem bleiben aber die Meldungen dieser nördlichsten
Stationen sehr oft aus. Es ist daher von größter Wichtigkeit, daß den Fahrtteilnehmern Gelegenheit ge
boten war, sich innerlich auf so ungünstige Beobachtungsverhältnisse einzustellen und Erfahrungen dar
über zu sammeln, wie man selbst aus diesem geringen Material das herauslesen kann, was man für die
Flugberatung der Nordstrecke benötigt. Freilich haben diese Erfahrungen noch einen etwas unsicheren
Untergrund dadurch, daß sie nur auf den Beobachtungen einiger weniger Wochen des Sommers be
ruhen, es wäre daher zu begrüßen, wenn noch recht oft eine Gelegenheit dazu geboten werden wird, in
diese noch wenig erforschten Regionen vorzudringen, weil sich auf diese Weise alle die gesammelten
Ergebnisse und Erfahrungen schließlich zu einem Gesamtbilde verdichten werden, das einmal eine gute
Erfassung der flugmeteorologischen Bedingungen des Nordwegs zuläßt und ferner eine sichere und zu
verlässige Flugberatung auf diesem nördlichen Flugwege ermöglicht.
III. Klimatologiseher Überblick.
Versucht man zunächst, einen Ueberblick über die klimatischen Verhältnisse auf der Linie
Färöer—Island—Grönland zu gewinnen, so macht sich auch hier der Nachteil fühlbar, daß Angaben hier
über nicht gerade reichlich vorhanden sind, und daß sich insbesondere auch hier das Fehlen der meteoro
logischen Schiffstagebücher sehr störend bemerkbar macht. Zwar werden solche an Bord der deutschen
Fischdampfer geführt, doch sind ihre Angaben nur in sehr seltenen Pallen als absolut brauchbar anzu
sehen, weil auf einem in See befindlichen Fahrzeuge dieser Art andere Arbeiten im Vordergründe des
Interesses stehen und es daher nicht möglich ist, ein meteorologisches Tagebuch dort mit der Sorgfalt
und Ruhe zu führen, wie auf einem großen Passagierdampfer mit seinem erheblich ruhigerem Verhalten
im Seegang, seinen bequemen Räumlichkeiten und seinem wesentlich größeren Personalbestände. Man
hat also für die Beurteilung der klimatologischen Verhältnisse nur die räumlich sehr weit auseinander
liegenden Landstationen zur Verfügung, während über die dazwischen liegenden ausgedehnten See
strecken so gut wie gar keine Angaben vorhanden sind.
a) Die Temperatur-Verhältnisse der Meeresräume.
Die klimatischen Verhältnisse der Zone Färöer—Island—Grönland stehen im engsten Zusammen
hänge mit dem Verlaufe der warmen und kalten Meeresströmungen, auf welche daher hier zunächst kurz
eingegangen werden soll. (Tafel 20, Abb. 3.)
Es kommen hier vor allem der warme Golfstrom und der kalte Ostgrönlandstrom mit ihren ver
schiedenen Abzweigungen als bestimmend für das Klima des Flugweges in Frage. Während der Haupt-
strom des ersteren zwischen den Färöern und Schottland nach der norwegischen Westküste geht, wendet
sich westlich von Irland je eine Abzweigung nach Norden und Osten. Die erstere strömt direkt nach
Norden, teilt sich jedoch vor Island nochmals in mehrere Arme. Einer derselben wendet sich nach
Westen und wird von dem Ostgrönlandstrom nach Süden abgelenkt, ein anderer Arm läuft an der West
küste von Island nach Norden und füllt den ganzen östlichen Teil der Dänemarkstraße aus. Seine Ab
grenzung gegen den Ostgrönlandstrom ist außerordentlich scharf, wie bei der Meteorfahrt wiederum
erwiesen wurde; die Lufttemperatur sank beim Passieren der Grenze unvermittelt von 9,6° auf 4,1°,
später sogar zeitweise auf 0,6°, während die Wassertemperatur sogar um volle 9°, nämlich von 9,8° auf
0,8° fiel. Ganz ähnlich verhält sich auch der durch den Ostgrönland-Strom nach Süden abgelenkte Teil
des Irmingerstromes; auch seine Abgrenzung gegen den kalten Ostgrönlandstrom ist sehr deutlich,