Walter Knoche: Der „Anstrocknungswert“ als klimatischer Faktor.
7
Die bioklimatische und geoklimatische Oberflächentemperatur.
Die bioklimatische Oberflächentemperatur dieser imaginären Wasseroberfläche
ist gegeben: sie entspricht der Haupttemperatur.
Die geoklimatische Oberflächentemperatur kann bei der Verschiedenheit der
Objekte natürlich nicht in einem einzigen Sinne definiert werden. Bei gleichen klimatischen Bedingun
gen hat ein Gletscher eine andere Oberflächentemperatur als ein großer Süßwassersee, dieser eine andere
als ein kleines Rinnsal oder eine konzentrierte Salzlösung (z. B. ein Salar) oder das Meer oder die Blatt
oberfläche eines Waldes.
Die Oberflächentemperatur der festen Erdoberfläche wird sehr variieren je nach den Pflanzen,
die' sie bedecken, je nach dem Material, aus dem der Boden besteht: Fels, Ton, granulierter oder fein
körniger Sand (23); auch die Farbe wird von Bedeutung sein.
Die Hauttemperatur.
Wenn wir uns bei der Berechnung des biologischen Austrocknungswertes der Haut
temperatur als Oberflächentemperatur bedienen wollen, so bietet ihre Bestimmung große Schwierigkeiten.
Man könnte sehr wohl schematisieren, indem man eine konstante Hauttemperatur annimmt, die sich
also bei irgend einer Lufttemperatur und irgend einer Windstärke, sei es auf physiologischem Wege
durch die Ernährung, sei es auf hygienischem durch die Kleidung auf einer Höhe von etwa 34° erhält,
eine Temperatur, die wir bei einer Außentemperatur von 15° (Mitteltemperatur der Erde) und einer
Windstärke 2 B. als normal ansehen. Man könnte z. B. für ein bestimmtes Gebiet, das geringe Tem
peraturgegensätze und nur schwache Winde auf weist, in der angegebenen Weise die Hauttemperatur
festsetzen. In einem solchen Falle hinge an einem Orte von gegebener Höhe der Wert der Aus
trocknung bei Windstille und im Schatten ausschließlich von der absoluten
Feuchtigkeit ab.
Doch können wir für die Berechnung der Austrocknung auch eine variable Oberflächentemperatur
der Haut einführen (24), indem wir sie, unabhängig von direkten physiologischen Einwirkungen (Be
wegung, Ernährung usw\) rein physikalisch zu den von außen wirkenden Faktoren in Beziehung bringen.
Vincent (25) hat eine Beziehung formuliert. Er berechnet die Hauttemperatur für verschie
dene klimatische Bedingungen in folgender Weise:
P v = 26,5° -f 0,31° —1,2 v + 0,2 d
w'obei t die Schattentemperatur (° C), v die Windgeschwindigkeit (m/sec), ö die Differenz zwischen dem
Schwarzkugel-Thermometer und der Lufttemperatur darstellt.
Eine spätere Formel desselben Autors gibt die folgende Beziehung:
P v = 30,1° + 0,2 t° — v (4,12 — 0,131°);
diese liegt den Berechnungen (vergl. Tabellen 3, 4, 5) zu Grunde.
Bei der Betrachtung von Gebieten mit so verschiedenartigem Klima, wie Tabelle 3 sie enthält,
mußten variable Hauttemperaturen einer konstanten vorgezogen werden.
Die Hauttemperaturen werden mit Vorteil an gewendet, um zunächst einmal einen Ueberblick zu
gestatten, wenn sie auch nur stark schematisierte Werte darstellen und überdies neuere Untersuchun
gen andere Beziehungen aufdecken werden.
Erhöhung der Hauttemperatur durch den Wind bei hohen Lufttemperaturen.
Die beiden Vincentschen Formeln geben für die Hauttemperaturen schon bei Wind-
S11116 : P c = 26,5° + 0,3 t° resp. P c = 30,1 + 0,2 t°
sehr verschiedene Werte; da z. B. bei t = 0° in dem einen Falle P c =26,5° wird und in dem anderen
Falle P c = 30,1°; bei t — 30° sind die entsprechenden Werte 34,5° und 36,1°; bei t .== — 30° wird P c = 17,5°