Lueie Raehder: Grundlagen und Versuch einer landschaftskundl. Gliederung der uördl. algerischen Sahara.
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Einleitung.
Für die nordafrikanische Wüste war die letzte Hälfte des vorigen Jahrhunderts das eigentliche
Zeitalter der Entdeckung. Den großen Durchquerungen Barths, Rohlfs, Caillés u. a. folgten kleinere
Reisen, die sich die Erkundung eines Teilgebietes zum Ziel setzten. So liegt für die nördliche algerische
Sahara — es sei darunter in der vorliegenden Arbeit das Ighargharbecken und das nach Westen an
schließende Mzabplateau verstanden — ein Netz von Reiserouten vor, deren Beschreibungen wertvolle
Kenntnisse von Wüstenstrecken vermitteln. Die Schwierigkeiten der Raumüberwindung, die an die
Kräfte der Forscher früher beträchtliche Anforderungen stellten, sind heute, im Zeitalter der Technik,
fast ganz behoben, so daß für die Erkundung von Land und Volk erheblich mehr geleistet werden
kann. In täglicher Eisenbahnverbindung miteinander stehen die Oasen Biskra und Touggourt; beide sind
an das große Eisenbahnnetz des Atlas-Hinterlandes angeschlossen und so mit den Häfen Algier und
Tunis verbunden. Außerdem planen die Algerischen Staatseisenbahnen die Fortführung des Schienen
strangs bis nach Wargla. Ungleich größer ist aber für den Personentransport die Bedeutung des Auto
carverkehrs. Das Netz des Autoverkehrsdienstes der Algerischen Staatseisenbahnen verbindet, abgesehen
von dem Komplex des Großen Erg im Osten, fast alle großen Oasen des Mzab einschließlich El Goleas
im Süden, des Wadi Rir, des Souf und des Chottgebietes in regelmäßiger wöchentlicher Fahrt.
Auch das Flugwesen ist hier in ständiger Entwicklung begriffen: viermal in der Woche vermitteln
Verkehrsflugzeuge eine Verbindung zwischen Südfrankreich und den Häfen Algier und Tunis; es ist
ohne Zweifel von größter Bedeutung für das afrikanische Frankreich, diesen Flugverkehr, der sich seit
seiner Gründung (1922) durch Schnelligkeit, Sicherheit und Regelmäßigkeit auszeichnet, von der Küste
weiter binnenlandwärts auszudehnen, wie es bereits in Marokko (Fes) geschehen. —- So haben sich so
wohl durch den Anschluß an den Weltverkehr wie durch den Ausbau der Sonderverkehrslinien die Be
dingungen für die weitere geographische Erforschung des hier betrachteten Gebietes in den letzten
Jahren wesentlich günstiger gestaltet.
Nicht immer sind das Ighargharbecken und das Mzabplateau, die sich heute als Sand- und Steinwüste
darbieten, unfruchtbares Land gewesen; alle Anzeichen und Untersuchungen deuten darauf hin, daß jenes
noch in historischer Zeit ein Kulturland ersten Ranges gewesen ist. Largeau ist der Ansicht, daß das Land
früher streckenweise von einer humosen Schlammschicht bedeckt gewesen ist, deren Vernichtung er dem
Windeinfluß zuschreibt: Ton und Humus sind fortgeweht, der zurückbleibende Sand häufte sich zu Dünen
an. Ob die Umwandlung des ehemaligen Kulturbodens in Wüste allein die Folge klimatischer Aenderungen
ist oder ob auch tektonische, morphologische u. ä. Kräfte wirksam gewesen sind, ist trotz mehrfacher
Deutungsversuche noch nicht restlos geklärt. Die ehemaligen Seen haben sich in tote Salzpfannen ver
wandelt; die großen Flüsse, die einst das Ighargharbecken durchzogen, sind heute nur als versandete
Trockenbetten feststellbar, zum Teil nur als unterirdische Flußläufe durch eine mehr oder minder gut
ausgebildete Kette von Brunnen verfolgbar. Und doch kann diese Umwandlung erst in historischer Zeit
vor sich gegangen sein: El Bekri berichtet aus dem 11. Jahrhundert, daß das ganze Gebiet zwischen dem
Djerid und Ghadames aus Sand und Sumpf bestand. 1875 teilt Largeau die Aussagen seiner Begleiter
im Wadi Rir mit, daß die Alten sich noch an einen ständig fließenden Fluß erinnern könnten, über den
kleine Brücken führten, deren Reste ihnen noch bekannt gewesen seien. Südlich von Beled Ahmar wurde
sogar ein Holzschiff ausgegraben, und bei Nefta am Chott Djerid (etwa 250 km Küstenabstand), der noch
vor 100—150 Jahren befahrbar gewesen sein muß, eine antike Galeere. Die im Sand vergrabenen Ruinen