Dr. Heinrich Lösche: Lassen sich die diluvialen Breitenkreise usw. rekonstruierent
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Es liegt nahe, in diesem Falle das Baersehe Gesetz zur Erklärung heranzuziehen, denn das Gefälle ist
innerhalb des Erzgobirgsbeckens nur sehr gering (1,9 m auf 1 km). Da auf dem ganzen Laufe nur leicht abspiil-
bare Schichten des Rotliegenden dem Flusse entgegenstehen, ist zu erwarten, daß eine verhältnismäßig geringe
Kraft der Rechtsablenkung schon in der Gestaltung der Talhänge zur Geltung: kommt. In den Kaltperioden muß
jedoch die Wirkung gleich Null gewesen sein, denn im oberen Teil der Hänge sind gerade die linken Talseiten
steiler. Wie ist das zu erklären? Vielleicht so, daß von Osten in der Frostbodenzeit die Schotterzufuhr von den ja
viel längeren Nebenbächen bedeutend größer war als von den kürzeren westlichen Nebentälern, und daß deshalb
die Aufschotterung im östlichen Teil der Talaue schneller vor sich ging als im westlichen. Der Fluß selbst schüttete
daher wohl vorwiegend den westlichen Teil der Talsohle auf. Es bestand so eher die Möglichkeit, daß der nach
Osten schauende Talhang nnterspült wurde.
X. Die Entstehung der ungleichseitigen Flußgebiete der Pleiße und Mulde.
Hat man erkannt, daß die Entstehung der Tal Ungleichseitigkeit auf eine einseitige Seitenerosion
zurückzuführen ist, die stets mit einer wenn auch geringen Tiefenerosion verbunden war, so kann man
sich auch an eine Erklärung der ungleichseitigen Flußgebiete der Pleiße und Mulde heranwagen, die,
wie bereits betont wurde, in enger Beziehung zu den ungleichseitigen Tälern stehen. In Kapitel IV war
beschrieben worden, daß bei Mulde und Pleiße, den Hauptflüssen des Erzgebirgsbeckens, eine bemer
kenswerte Ungleichseitigkeit der Wasserscheiden und der Talrichtungen der Nebenbäche besteht. Die
Wasserscheiden liegen auf den Ostseiten der Flußgebiete stets weiter von den Hauptflüssen entfernt
als auf den Gegenseiten. (Vgl. Übersichtskarte.) Gleichzeitig bevorzugen die Nebenbäche östlich der
Hauptflüsse die Richtung SO—NW, während sie westlich von WSW nach ONO oder von W nach O
fließen. Einige sind sogar der allgemeinen Abdachung des Beckens entgegengerichtet. Sie fließen von
NW nach SO. Wie hat man sich die Entstehung dieser Ungleichseitigkeit zu denken? Heute liegen
keine Gründe mehr vor für eine Bevorzugung der Ostseiten der Flußgebiete und der Richtung NW—SO
für die Nebenbäche rechts und links der Hauptflüsse. Es gilt jetzt sogar ganz allgemein, daß die west
lichen Nebenbäche der Pleiße und Mulde, die von W nach O oder sogar von NW nach SO fließen, ihre
wasserreichsten Nebenbäche aus SW erhalten. (Vergleiche dazu das Rudelswalder Tal, das Sahnau-Tal
und das Tal des Lopitzbaches auf Meßtischblatt Meerane.)
Auch in diesem Falle ist an eine vorzeitliche Entstehung zu denken. Es war bereits angedeutet
worden, daß diese Ungleichseitigkeit der Flußgebiete in Ausdehnung und Richtung offenbar im Zu
sammenhang steht mit der Ungleichseitigkeit des Talquerschnittes. Die Richtung der größten Talun
gleichseitigkeit (SO—NW) fällt mit der normalen Richtung der östlichen Nebenbäche zusammen. Auf
den Westseiten jedoch ist sie der im Sinne der Abdachung verlaufenden Fließrichtung der Nebenbäche
gerade entgegengerichtet. Die Nebenbäche scheinen deshalb eine Zwischenrichtung zu NW—SO und der
durch die Abdachung gegebenen Richtung SW—NO einzunehmen. Sie sind aber meist sehr kurz.
Aus allem geht hervor, daß als Ursache dieser ungleichseitigen Flußge
biete wohl die Entstehung des ungleichseitigen Talquerschnittes zu gelten
hat. In Kapitel IX war dargestellt worden, daß die Bildung der Talungleichseitigkeit auf die ein
seitige Seitenerosion der Bäche zurückzuführen ist, aber außerdem war stets eine gewisse Tiefenerosion
damit verknüpft gewesen.
Untersuchen wir, wie diese beiden Tatsachen bei den Tälern der größten und bei den Tälern der
geringsten Ungleichseitigkeit gewirkt haben. Bei den ersteren wird in den Zeiten der Bildung dieser
Talasymmetrie die Seitenerosion und damit auch die Tiefenerosion am energischsten tätig gewesen sein.
Durch die einseitige Seitenerosion vergrößert ein Bach das Einzugsgebiet nach einer Seite immer mehr,
während er die Gegenseite mehr und mehr verkürzt. Jedoch durch das Tieferlegen der Basis für seine
Nebentälchen wird er deren Erosionskraft erhöhen. Diese werden Kraft gewinnen, sich rückwärts in
die Hänge hineinzuarbeiten, ihre Einzugsgebiete auf Kosten der benachbarten Tälchen, die vielleicht un
günstiger gestellt sind, zu erweitern.