Aerologische u. Hydrographische Beobacht, der deutsch. Marinestat. währ. d. Kriegszeit. 1914—1918. —1925. Heft 2. 57
2. Mittelwerte der Stromgeschwindigkeit.
Oberfläche
1 m über Grund
( Sprmgzeit . . .
Fiatstrom {
l Nippzeit ....
0.76 m/sec = 1.5 Sm/stde
0.82 „ =1.6 „
0.61 m/sec =1.2 Sm/stde
0.51 „ =1.0
t I Springzeit...
JSibbstrom {
\ Nippzeit ....
1.07 „ =2.1 „
0.93 „ =1.8
0.68 „ =1.3
0.63 „ =1.2
Auffallend ist bei dieser Beobaclitungsreihe, daß der Flutstrom zur Nippzeit nicht schwächer
war als zur Springzeit, im Gegenteil war die mittlere Geschwindigkeit des Flutstromes zur Nippzeit
sogar größer. Beim Ebbstrom und dicht über dem Boden auch beim Flutstrom trat dagegen wie bei
den früheren Beobachtungen die halbmonatliche Ungleichheit deutlich hervor. Die Geschwindigkeit
am Boden betrug 60—80% von der an der Oberfläche festgestellten.
Die Ursache für die abnorm großen Geschwindigkeiten des Flutstroms zur Nippzeit sind die
meteorologischen Verhältnisse. Zur Springzeit (25.—27. 6.) wehten schwache bis mäßige Winde aus
wechselnden Richtungen, die festgestellten Verhältnisse dürften den mittleren annähernd entsprechen.
Zur Nippzeit (2.—4. 7.) wehten beständige mäßige bis starke nördliche Winde, welche den Flutstrom
förderten und, wie die Betrachtung des Salzgehalts zeigen wird, Meerwasser in erhöhtem Maße in die
Flußmündung hineintrieben. Diese Beeinflussung durch den Wind trat an der Oberfläche sehr stark,
am Boden aber fast gar nicht mehr hervor. Die Verwischung der halbmonatlichen Ungleichheit beim
oberflächlichen Flutstrom infolge der meteorologischen Verhältnisse ist eine Bestätigung für die Be
hauptung von L. van Brabandt: 1 ) „L’action du vent sur les marées -est considérable, à tel point que les
niveaux extrêmes mensuels des marées hautes et des marées basses relèvent principalement de cette
influence, et non des causes astronomiques, du moins dans la partie d’aval des rivières.’'
e. Durch Flut- und Ebbstrom verfrachtete Wasser men gen (vergl. Tafel 5, Nr. 20).
Die in der Nippzeit durch den Flutstrom flußaufwärts beförderte Wassermenge war infolge der
geschilderten abnormen Witterungsverhältnisse ungefähr gleich der durch den Ebbstrom flußabwärts
transportierten (vergl. Tabelle 28). Der Abfluß war also an der Oberfläche fast völlig unterbunden,
wenigstens an der betrachteten Stelle des Querschnitts. In der Tiefe dagegen fand Abfluß statt. 2 ) Um
zu einem annähernd normale Verhältnisse darstellenden Kurvenpaar zu kommen, wurde zunächst die
Kurve entworfen, Avelche die durch den Ebbstrom beförderten Wassermengen in ihrer Abhängigkeit
vom Mondalter darstellt und die zweite Kurve für den Flutstrom in annähernd dem Abstande gezeich
net, wie er durch die Beziehungen zwischen Flut- und Ebbstrom zur Springzeit gegeben sind (Tafel 5,
Nr. 20). Es wurde; hierbei die aus den beiden früheren Beobachtungsreihen bereits bekannte Tatsache
benutzt, daß die zum Abfluß gelangende Wassermenge vom Mondalter unabhängig ist. Das die Abfluß-
>) L. van Brabandt, Récapitulations annuelles et décennals des observations de marées faites dans le service
spécial de l’Escaut maritime et de ses affluents soumis à la marée pendant la période 1901—1910. Annales des
travaux publics de Belgique 69. année II. Série, tome XII. Bruxelles 1912.
2 ) Bei entsprechender Wetterlage kann natürlich auch durch den Flutstrom mehr Wasser stromaufwärts
geführt werden als durch den Ebbstrom in entgegengesetzte Richtung. Dies war z. B. bei der bis 1908 grüßten Sturm
flut vom 12. März 1906 der Fall. Damals betrug das Hochwasser bei Lillo 7.4 m (5.1), bei Antwerpen 7.2 m (5.2), bei
Ternsche 6.8 m (5.0), (in Klammern ist die Höhe des mittleren Springhochwassers gegeben). Große Uebersehwem-
mungen waren die Folge. Beachtenswerte kartographische Darstellungen der Ueberschwemmungen sind gegeben in:
H. .Gellens, L. van Brabandt, J. Melotte, A. Wcyts, J. Pierrot. La Marée-Tempête du 12 mars 1906 dans le Bassin de
l’Escaut maritime. Annales des travaux publies de Belgique 65. année, II. série, tome XIII. Bruxelles 1908.