Dr. W. Peppier: Die Beobachtungen der Marinedraehenstationen Breedene/Meer und St. Michel 1915—1918. 19
D. Beobachtungen über
die Turbulenz des Windes, besonders in der freien Atmosphäre.
Die Bewegungen in der freien Atmosphäre erfolgen meist nicht in der steten Form paralleler
Stromfäden, sondern turbulent, von der feinsten ungeordneten Bewegung bis zur Böigkeit höherer
Ordnung 1 2 )- Es sind alle Größenordnungen möglich und vorhanden bis zu Wirbeln von mehreren 100 m
Ausdehnung, und es bestehen große Unterschiede in der Art des Auftretens der Turbulenz in den ein
zelnen Fällen.
Die „molekulare Turbulenz“ wird ähnlich der bei anderen strömenden Flüssigkeiten bereits experi
mentell untersuchten sein. Hier hat man bereits bestimmte Turbulenzgebiete nachgewiesen, die bei ge
wissen Strömungsgeschwindigkeiten bei konstanten Bedingungen ©intreten. Es ist aber noch nicht ge
lungen, eine völlig befriedigende Theorie der Turbulenz zu geben. Neuere Untersuchungen haben ge
zeigt, daß auch für die Luftbewegung gewisse Schwellenwerte bei 4—6 und oberhalb 12 ms vorhanden
zu sein scheinen. Für noch größere Geschwindigkeiten ist die Turbulenz kaum erforscht.
M. Ko b i t z s c h -) findet in einer neueren Arbeit, auf deren sehr interessante Einzelheiten hier
nicht eingegangen werden kann, daß die absolute Schwankung eines böigen Windes nahe proportional
der mittleren Windgeschwindigkeit ist, und zwar hat die Schwankungsamplitude ungefähr den 1.7-fachen
Wert der mittleren Windgeschwindigkeit. Auch Bar ko w 3 ) fand, daß die mittlere Größe der Turbu
lenzelemente in nahezu linearer Abhängigkeit von der mittleren Geschwindigkeit steht.
A. Peppier findet ebenfalls diese Beziehung in großen Zügen bestätigt, aber er vennutet, daß
gewisse Schwellenwerte der Windgeschwindigkeit vorhanden sind, bei denen die Böigkeit sprungweise
anwächst, so bei 2, 4, 7 und 15 Sekundenmetern. Daß die Böigkeit ungefähr linear mit der Windstärke
wächst, ist nicht überraschend, und gilt auch nur für Geschwindigkeiten oberhalb ca. 5 ms, wie aus den
Beobachtungen von Barkow und Kobitzsch hervorgeht. Auf die Unstetigkeiten dieser Beziehung habe
ich zuerst aufmerksam gemacht bei Bearbeitung der Lindenberger Doppelvisierungen, wobei ich fand,
daß die Mittel der Vertikalbewegungen (Variabilitätswerte der Aufstiegsgeschwindigkeit der Pilot
ballons) sich in folgender Weise auf die verschiedenen Windgeschwindigkeiten verteilen:
in ms 0-2.0 2.1-4.0 4.1-6.0 6.1-8.0 8.1-10.0 10.1-12.0 12.1-14.0 14.1-16.0
Mittel der Vertikalbewegungen: 0.56 0.52 0.48 0.49 0.43 0.34 0.55 0.40
Die stärksten Vertikalbewegungen fallen einerseits auf die schwachen Winde von 0—4 ms, an
dererseits scheint ein 2. Maximum bei 12—14 ms zu liegen. Die Minima liegen bei 4—6 und 10—12 ms.
Wenn Vertikalbewegungen und Böigkeit dasselbe bedeuten, müßten sich diese Beziehungen an den Aus
wertungen eines Böenschreibers wiederfinden. Wir bemerkten oben, daß A. Peppier tatsächlich solche
Unstetigkeiten gefunden hat.
Das Vorhandensein verschiedener turbulenter Bewegungsformen auch in der freien Atmosphäre
drängt sich am besten bei den Drachenaufstiegen der Beobachtung auf. Sie zeigen ebenfalls, daß auch
in größeren Höhen die Luft fast immer, turbulent ist, wobei die Größe der Turbulenz annähernd der
Windgeschwindigkeit proportional ist. Aus der aerologischen Praxis heraus habe ich mir die Ansicht
gebildet, daß diese Beziehung nur im Mittel mit roher Annäherung gilt. 4 ) Bei der aufmerksamen Be
*) Man unterscheidet neuerdings zwischen Mikro- und Makroturbulenz; erster« ist wohl identisch mit dem, was ich unter
molekularer Turbulenz verstehe und die Physik ganz allgemein als Turbulenz definiert, letztere deckt sich ungefähr mit dem me
teorologischen Begriff der „Böigkeit“
2 ) M. Robitzscli: Beiträge zur Kenntnis der Struktur des Bodenwindes. Die Arbeiten des Preuss. Aeron. Obs., 8. Bd., S. 66 .
3 ) E. Barkow: Windänderung mit der Höhe und Turbulenz. Ann. d. Hydr. 45, S. 1-6.
4 ) Dines hat durch Beobachtung und Messung der Zugschwankungen bei Drachenaufstiegen gezeigt, daß die Böigkeit (de
finiert als gustiness-factoi) vom Erdboden mit der Höhe rasch abnimmt. Es gilt dies natürlich nnr für mittlere Verhältnisse.