14 Aerologische u. hydrographische Beobachtung, d. deutsch. Mariuestat. wiihrend der Kriegszeit 1914 1918. Heft 4.
Merkwürdigerweise findet Sven Qrenauder in einer neueren Arbeit keinen Einfluß des
Seewindes auf die Temperatur. Er sagt: „Die Seebrise tritt bei uns (schwedische Ostküste) nicht als
kalter und feuchter, sondern als normal temperierter, verhältnismäßig trockener Wind auf. Die frische
Kühle, die auch an unserer Küste ihre Ankunft ersehnt macht, wird nicht durch ihre niedrige Tem
peratur, sondern hauptsächlich durch die vermehrte Verdampfung erzeugt.“ Er beruft sich auch dabei
auf Davis, Schultz und W a r d, die bemerkt haben, daß die temperaturherabsetzende Fähigkeit
des Seewindes gering ist, und „daß dadurch eigentlich ihr weiteres Hineindringen ins Land verhindert
werden sollte, weil der horizontale Temperaturgradient hier die Rolle des Primus motor spielt. Um
diesen Widerspruch zu erklären, nehmen sie an, daß nur die untersten Luftschichten durch Berührung
mit dem Boden erwärmt worden sind, während die höheren Schichten noch eine bedeutend niedrigere
Temperatur haben. Diese Hypothese erscheint jedoch in Erwägung der geringen Höhe der Seebrise
und der aller Wahrscheinlichkeit rein adiabatischen Temperaturschichtung ihrer verschiedenen Luft
lager kaum wahrscheinlich.“
Die Schlußfolgerungen von Grenander sind nicht richtig. Der Temperaturgegensatz zwischen
Land und See ist die direkte Ursache des Seewindes, der daher auch niedrigere Temperatur haben muß.
Allerdings dürfte der abkühlende Einfluß des Seewindes sich nicht allzu weit landeinwärts erstrecken,
da er sich bald erwärmt. Grenander ist die Temperaturerniedrigung wohl nur deshalb entgangen,
weil er nur Terminbeobachtungen benutzt hat.
Die Hypothese von Davis etc. ist, wie Grenander richtig bemerkt, deshalb nicht annehmbar,
weil die vertikale Mächtigkeit der Seebrise nicht groß ist; aber auch die Vermutung von Grenander,
daß es sich beim Seewind um rein diabatische Temperaturschichtung handelt, bestätigt sich an den
flandrischen Beobachtungen nicht. Die Aerologie des Seewindes ist anderer Art, wie nun gezeigt
werden wird.
Die Zustandskurven der Temperatur und der Relativen Feuchtigkeit.
Als Charakteristika der vertikalen Temperaturabnahme traten bei der Behandlung der einzelnen
Aufstiege an Seewindtagen folgende Züge hervor: Nachts bildet sich eine Bodeninversion, die Land
windschicht, die gegen Sonnenaufgang ihre größte Ausbildung erreicht, die typische nächtliche Strah
lungsinversion des festen Landes. Einige Zeit nach Sonnenaufgang löst sich durch die Erwärmung
des Bodens diese Inversion auf und macht adiabatischen Gradienten Platz. Ist der Vorgang beendet,
dann sind die Bedingungen zur Entwicklung des Seewindes gegeben. Es entwickelt sich das Seewind
gefälle. Der Seewind drängt als flache, ca. 200 m mächtige, kalte Schicht landwärts und tritt meist als
Bodeninversion im Drachenaufstieg in Erscheinung, oder bewirkt doch eine Verringerung der ver
tikalen Temperaturabnahme. Hierdurch ist eine Form von Inversionen ganz eigener Entstehungsart
festgestellt.
Um für die aeroiogischen Zustände an Seewindtagen einen mittleren Ausdruck zu finden, habe
ich die Zustandskurven für die Drachenaufstiege an Seewindtagen in Tafel 2 (Fig. 5) gezeichnet. Die
ausgezogenen Kurven geben die Temperatur, die gestrichelten die Feuchtigkeit für Vormittag und
Nachmittag. Die Morgenkurve zeigt die Inversion der Landwindschicht bis ca. 200 m, darüber ist die
Temperaturabnahme normal. Am Nachmittag bei Seewind weicht die Zustandskurve von derjenigen, die
sonst um diese Zeit im Sommer bei heiterem Wetter gefunden wird, ganz bedeutend ab. Der Gradient
ist nicht adiabatisch, sondern viel geringer (0.4°/100 m). Dies ist dem Einfluß der häufigen Seewind
inversionen zuzuschreiben. Die Morgenkurve der relativen Feuchtigkeit zeigt nichts Außergewöhn
liches, sie nimmt wie gewöhnlich um diese Tageszeit mit der Höhe ab. Die Nachmittagskurve zeigt den
Seewindeinfluß. Um diese Zeit der stärksten Konvektion nimmt normalerweise die Feuchtigkeit mit
der Höhe zu, an Seewindtagen aber ab; der Luftkörper der Seewindschicht ist feuchter als die Luft
in größerer Höhe.