36 Aerologische u. Hydrographische Beobachtung, d. deutsch. Marinestat. während der Kriegszeit 1914—1918. — Heit 3.
liehen Periode der Bodenschicht. Die Durchmischung der unteren Schichten und der durch die Kon
vektion hervorgerufene Austausch der Geschwindigkeiten oben un<i unten, bewirkt, daß in der Boden
schicht das Maximum der Windgeschwindigkeit zur Zeit des Temperaturmaximums eintritt (gegen 2 p),
das Minimum nachts. (Übrigens nicht zur Zeit des Temperaturminimums, sondern früher.) Dieser
Bodentypus der täglichen Periode beschränkt sich auf eine flache Schicht von 50 -100 m. Jm Sommer
reicht infolge der stärkeren Konvektion diese Welle höher hinauf (bis ca. 300 m), im Winter bis zu kaum
40 m Höhe. Da die Konvektion am Tage sich nicht hoch hinauf erstreckt, muß der Effekt der Espy-
Köppenschen Theorie des Geschwindigkeitsverlustes der oberen Schichten am Tage sich mit der Höhe
verlieren, und damit der tägliche Gang mit zunehmender Höhe verschwinden. In Wirklichkeit aber er
streckt sich der obere Typus der täglichen Periode in viel größere Höhen, als sich mit der Theorie ver
einbaren läßt. Die Beobachtungen von der flandrischen Küste zeigten eine Zunahme der Amplituden in
Höhen oberhalb 1000 m. Dies trat auch bei der Bearbeitung meines Bruders für Lindenberg hervor:
Große Amplitude in 500 m, darüber Abnahme bis 1000 m, darüber wieder Zunahme. Bei genauerem
Studium der täglichen Periode stößt man auf so verwickelte Beziehungen, daß die Theorie schwerlich
für deren Erklärung ausreicht.
Ich vermag nicht einzusehen, wie der tägliche Gang der freien Atmosphäre mit einem Minimum
der Windgeschwindigkeit um Mittag zustande kommen soll. Man nimmt gewöhnlich an, daß mit der
Sonne eine 24-stündige Wärmewelle die Erde umkreist, wobei die von E über S nach W fortschreitende
Aufwölbung der Luftdruckflächen im Osten resp. Südosten die Westwinde schwächen. Das bereitet
der Vorstellung Schwierigkeiten. Ist das allgemeine Druckgefälle von Süden nach Norden gerichtet, so
müßte, da der Scheitel der Wärmewelle im Süden vorübergeht, das allgemeine nordwärts gerichtete
Druckgefälle, umgekehrt um Mittag, wenn der Scheitel der Welle durch den Meridian geht, am meisten
verstärkt werden, also auch die Windgeschwindigkeit. Diese Überlegungen führen schließlich zu dem
Schluß, daß die tägliche Periode der Windgeschwindigkeit der freien Atmosphäre keine einfache Er
scheinung ist, sondern die Resultante verschiedener Faktoren, und zwar erstens der allgemeinen täg
lichen Welle der freien Atmosphäre, und zweitens der allgemeinen Luftdruckverteilung. Für erstere
können zwei Wirkungen in Frage kommen. Erstens: die Erwärmung der unteren Schichten vom Boden
aus und die damit verbundene Hebung der Druckflächen, und zweitens: die direkte Erwärmung der
oberen Luftschichten durch Absorption der Wärmestrahlung. Man nimmt zwar allgemein an,
daß letztere eine sehr geringe Rolle spielt, aber nach den neueren Feststellungen einer großen Ampli
tude der täglichen Temperaturperiode in großen Höhen scheint die direkte Wärmeabsorption doch größer
zu sein. Der zweite Hauptfaktor ist die allgemeine Luftdruckverteilung, also ein örtlich verschiedener
Faktor. Wenn die tägliche Periode die Resultante beider Faktoren ist, dann müssen die Extreme zu
ganz verschiedenen Zeiten eintreten. Tatsächlich zeigen die Beobachtungen auf Bergen, daß das täg
liche Minimum zu allen Stunden am Tage eintreten kann. Ist das allgemeine Druckgefälle von E nach
W gerichtet, so wird das Windmaximum erreicht werden, wenn die südöstlichen Meridiane am stärksten
erwärmt werden, also vormittags, das Minimum nachmittags. Das Umgekehrte ist bei west-östlichem
Druckgefälle zu erwarten. Wenn das stimmt, muß bei östlichen Winden das Maximum verfrüht, bei
westlichen verspätet eintreten. Auch kann bei entgegengesetzter Windrichtung oben und unten die
Periode mit der Höhe sich umkehren. Wie weit diese Konsequenzen der Theorie stimmen, ist erst dann
zu beurteilen, wenn man die tägliche Periode in Beziehung zu bestimmten Wettertypen untersucht und
nicht, wie seither üblich, nur nach schwachen und starken Winden, oder heiteren und trüben Tagen die
Beobachtungen sondert.
II. Die Windmessungen in St. Michel hei Brügge.
Infolge der Verschiedenheit der örtlichen Verhältnisse der Stationen St. Michel und Breedene
(Inland und Küste) (Näheres über die Lage der Stationen siehe Einleitung.) ist es nötig, beide Beobach