Dr. W. Peppier: Die Beobachtungen der Marinedraehenstationen Breedene/Meer und St. Michel in d. Jahr.1915—191S. 21
Beachtet man die Reihenfolge der Stationen in ost-westlicher Richtung, so kann mau schließen, daß
in der freien Atmosphäre von oa. 15° ö. L. v. Gr. bis 0° die Geschwindigkeit zunimmt, in tieferen
Schichten um 2, in höheren um über 3 ms. 1 ) Es ist dies Ergebnis zu erwarten, da mit Annäherung an
das nordatlantische Depressionsgebiet die mittleren Luftdruckgradienten anwachsen und die Frequenz
der barometrischen Depressionen größer wird. Wenn noch mehr Beobachtungsmaterial vorliegt, wird
sich ein Weg finden lassen, an der Hand dieser empirisch gefundenen Beziehungen im Anschluß an die
Isobarenkarten, mittlere Windkarten für die freie Atmosphäre zu entwerfen. Ich hatte bereits einen
derartigen Versuch unternommen, möchte aber noch von einer Veröffentlichung absehen, da die aei-o-
logischen Beobachtungen über dem nordatlantischen Ozean noch viel zu ungenügend sind.
Ebenso wie von Westen nach Osten (Breedern-,—Lindenberg oder England—Lindenberg) nimmt in
der freien Atmosphäre der Wind nach Süden ab, und auch die Windzunahme mit der Höhe wird
kleiner, worauf neuerdings Kleinschmidt hingewiesen hat. 2 ) Einen Beweis dafür, daß das Gesetz der
Verdoppelung der Windgeschwindigkeit nicht überall gilt resp. unter niederen Breiten kleiner ist, gibt
Triest, wo im Mittel die Geschwindigkeit in 500 m dieselbe ist wie am Boden. Dort betragen die Ver
hältniszahlen, wenn man den Bodenwind gleich 1 setzt, in 500 m 1.0, in 1000 m 1.1, in 1500 m 1.4. Die
Windstärke erreicht dort erst in 3000 m den doppelten Betrag des Bodenwindes. Hier spielen auch ört
liche Verhältnisse eine große Rolle. (Bora.)
Es ist nötig, auf ein etwas unerwartetes Ergebnis der Breedener Beobachtungen näher ein
zugehen. Die auf einer völlig ebenen Weide, 400 m hinter den nur 20—25 m hohen Dünen gelegene
Drachen Station war bei dem Streichen der Küste von SW nach NE, den vorherrschenden Westwinden
frei ansgesetzt, die vom Meere wehend geringe Reibung fanden. Man sollte daher erwarten, daß die
Windzunahme mit der Höhe in der Bodenschicht gering war. Aber der Betrieb der Drachenstation bei
stürmischem Westwetter belehrte bald eines andern. Bei stürmischem West herrschte in den unteren
Schichten eine unerwartet große Windzunahme. Besonders auf der Südseite der Depressionen war die
Windzunahme mit der Höhe außerordentlich. Bei Sturmlagen machte eine tiefliegende, sehr turbulente
Windschicht bei 100—200 m die Drachenaufstiege oft unmöglich.
Es erklärt sich dies zum Teil durch Eigentümlichkeiten der LufStrömung an der Küste, die ich
oft zu studieren Gelegenheit hatte. Die vom Meere wehende Strömung findet beim Auftreffen auf die
Küste eine plötzlich vermehrte Reibung, zumal der flache Dünenzug ein Hindernis bildet. Die Strom
linien biegen sich aufwärts über den Dünenkamm hinweg. Landeinwärts hinter dem Kamm bildet sich
eine Brandungszone der strömenden Luft, deren Breite viel beträchtlicher ist, als man erwarten sollte.
Erst in einer Entfernung von 500 m und mehr hinter den Dünen senken sich die Stromlinien und ver
laufen dem Boden parallel, nachdem der Strömungszustand der vermehrten Reibung auf dem Lande sich
angepaßt hat. Offenbar lag die Drachenstation, trotz ihrer Lage 400 m hinter den Dünen, noch im
Raum der Brandungszone. Bei stürmischem Westwetter konnte man regelmäßig beobachten, daß in
40 - 80 m Höhe der Wind sprunghaft zunahm, und schwere Böen und Wirbel den Drachen hin- und
herschleuderten. Die Züge am Dynamometer schwankten dabei um ganz außerordentliche Beträge (oft
in wenigen Sekunden um 50—100 kg), wie ich es vom Observatorium Lindenberg nicht gewohnt war.
T Tmbulenzschicht. und
Windsprung
B Brandungszone mit
Wirbeln.
Meer
Dünen
Hinterland
Dies Strömungsbild ist schematisch in Fig. 3 gezeichnet. Bei B die mit Wirbeln durchsetzte Brandungs
zone hinter den Dünen, bei T die Turbulenzschicht mit sprunghafter Windzunahme, die, um sie hervor
zuheben, etwas stärker gezeichnet ist.
b Nach Bemerkg. anf S. 14 bieibt eine gewisse Unsicherheit, da die Mittel aus nicht gleichzeitigen Beobachtungen abgeleitet sind.
*) K. Kleinschmidt. Die Windverhältnisse über dem ßodensee: Beiträge zur Physik der freien Atmosphäre. Bd. VII.