Dr. W. Peppier: Die Beobachtungen der Mnrinedrackeustationen Breedeue/Meer und St. Michel in d. Jahr. 1915—1918. 18
fand um Sonnenaufgang oder 1—2 Stunden nachher statt, nachdem hei Hellwerden erst ein Pilot aus
geführt worden war. Der zweite Drachenaufstieg fand um Mittag oder kurz nach Mittag statt. In den
letzten Monaten der Tätigkeit in Breedene / Meer mußten aus militärischen Gründen die Fesselaufstiege
auf die späteren Nachmittagsstunden verlegt werden. Die genaueren mittleren Zeiten sind in den ein
zelnen Teilen der nachfolgenden Bearbeitung, wo es nötig ist, angegeben. Es sind bei der Bearbeitung
durchweg die Aufstiegswerte benutzt, die einwandfreier sind als die Abstiegswerte, erstens wegen des
geringeren Nachhinkens der Instrumente, besonders aber wegen der beim Abstieg durch die Verdunstung
an dem aus niederen Wolken heraustretenden Thermometerkörper entstehenden Fehler. Bei den Fessel
ballonaufstiegen wurden dagegen meist die Mittelwerte aus Auf- und Abstieg gebildet.
Erwähnt sei noch, daß im Juni 1918, um den besonderen Windverhältnissen in der Nähe der Front
und an der Küste Rechnung zu tragen, noch eine Zweigstation der Drachenstation eingerichtet wurde,
die in der Nähe von Raversyde hinter den Dünen lag. Die Station erhielt Registrierinstrumente, einen
Baro- und Thermographen, sowie eine Pilotausrüstung. Die Ergebnisse dieser Station konnten in der
nachfolgenden Bearbeitung nur teilweise berücksichtigt werden, da ich nach dem Rückzug aus Belgien
den Verbleib der Station nicht mehr habe ausfindig machen können.
Das Ende der Drachenstation. Als Anfang Oktober 1918 der Rückzug aus Belgien
vorbereitet wurde, erhielt die Drachenstation Befehl, sofort abzubauen und sich nach Wilhelmshaven zu
begeben. Das Windenhaus und die Drachenschuppen wurden daher durch Feuer zerstört, auch mußte
aus Mangel an Transportgelegenheit ein kleines Lager von Wasserstofflaschen zurückgelassen werden.
Alles Übrige, Material und Instrumentarium, begab sich mit dem Personal über Antwerpen nach Wil
helmshaven, wo die Drachenstation bei Beginn der Revolution sich auflöste.
Die praktische, kriegsmäßige Verwertung der aerologischen Beobachtungen einer Kritik und Be
sprechung zu unterziehen, möchte ich unterlassen, da dafür zur Zeit kaum noch Interesse vorhanden sein
dürfte. Ich habe mich auf die rein technische und wissenschaftliche Seite der Bearbeitung beschränkt,
was um so berechtigter ist, als es lediglich Aufgabe der Drachenstation war, die Beobachtungen auszu
führen. Diese wurden telephonisch an das Observatorium Ostende, später Blankenberghe weitergegeben
und dort für hydrographische und militärische Zwecke verarbeitet und an die interessierten militärischen
Formationen weitergegeben. Nur die ballistisch-aerologischen Fragen wurden selbständig von Herrn
Dr. Holling bearbeitet, der zu diesem Zwecke der Drachenstation zugeteilt wurde. Darauf näher einzu
gehen, steht mir nicht zu, und ist auch im Rahmen der vorliegenden Bearbeitung nicht angebracht.
B. Die Windverhältnisse über Breedene/Meer und St. Miehel bei Brügge.
Kritische Bemerkungen über die Fehler aerologischer Windmessungen.
Über die Leistungsfähigkeit der aerologischen Methoden zur Windmessung herrschen vielfach iui-
klare Vorstellungen, und die Genauigkeit wird vielfach überschätzt, besonders von solchen, die die
aerologische Praxis nicht kennen gelernt haben. Es kann liier nicht der Ort sein, die verschiedenen
Fehlerquellen gründlich zu untersuchen, da dies sehr umfangreicher Vorarbeiten bedürfte. In einigen
neueren Arbeiten hat man bereits begonnen, diese Fehler zu untersuchen, ohne daß die Frage voll
kommen geklärt ist. Für die vorliegenden Beobachtungen von Flandern gilt in dieser Beziehung das
selbe, was generell für die ganze aerologische Methode gilt. Besondere Fehlerquellen sind dagegen nicht
vorhanden, und bei der Auswertung ist mit größter Vorsicht und Gründlichkeit verfahren worden. Die
einfachen Pilotvisierungen habe ich teilweise selbst ausgewertet und alle laufend revidiert.
Die Drachen- und Fesselballonaufstiege sind während der ganzen Tätigkeit der Drachenstation fast aus
nahmslos von mir selber ausgewertet worden. Gerade im Kriege lagen die Hauptfehlerquellen und
Ungenauigkeiten auf mehr persönlichem Gebiete, da die Auswertung vielfach ungeübtem, wissenschaftlich
nicht geschultem Personal überlassen wurde. Die Güte der gesamten Kriegsbeobachtungen ist daher sehr