72
Aus dem Archiv der 'Deutschen Seewarte.
46. Bd. Nr. 3.
biete der aus der Ackumer Ehe und der Otzumer Balje kommenden oder in sie eindringenden Tideströme.
Erst in der Tiefe, wo jene beiden Einlässe durch Barren abgeschlossen sind, könnte sich der Strom freier
entwickeln, wenn er hier nicht wiederum bereits von dem nach Süden stark ansteigenden Grunde be
einflußt wäre. Man darf daher annehmen, daß diese beiden Abweichungen im Grunde nicht gegen die
Theorie sprechen.
Mit § 16,2 stimmt es, wenn A. Schumacher 5 ) westlich von Sylt sowohl an der Oberfläche wie
auch in der Tiefe ähnliche, dem Kreise nahestehende Stromfiguren fand. Auch eine große Anzahl älterer
Beobachtungen weisen in dieselbe Richtung. F. Wendicke 6 ) verzeichnet für die Feuerschiffe Borkum
Riff, Norderney und Amrum Bank linksdrehenden Strom; die Ellipsen sind in der Tiefe breiter als an der
Oberfläche. Nun sind zwar die Stromrichtungen bei Wendicke sowohl wie bei den Internationalen Be
obachtungen 7 ) durch die Deviation entstellt, und es ist nicht möglich, die wahren Richtungen nachträglich
zu ermitteln. Daher bleibt es zweifelhaft, ob der angegebene Drehsinn der Wirklichkeit entspricht. Da
gegen ist die Länge der Achsen, und damit auch Form und Größe der Ellipsen nur durch die Stärke,
nicht aber durch die Richtung der gemesenen Ströme bedingt, und daher zuverlässig. Man begegnet bei
den internationalen Strombeobachtungen einer ganzen Reihe zur Theorie stimmender Stromfiguren. Ließe
man die Richtungen trotz der Deviation im Groben gelten, so könnten sogar so verwickelte Strömun
gen wie die bei dem Feuerschiffe Horns Riff ihre Erklärung finden: Sowohl 1910—1911 wie 1912—18
drehte der Strom in den oberen Schichten im Sinne des Uhrzeigers, in den unteren entgegengesetzt,
und 1912—13 lag die Übergangsstelle in etwa 25 m Tiefe (Wassertiefe 32 m), wo alternierender Strom
festgestellt wurde. (Vgl. Wester Till)
§ 18. Abschätzung der Turbulenz.
Die Aufgabe, den Betrag v der Scheinreibung zu berechnen, also nicht die gewöhnliche moleku
lare Zähigkeit, sondern vielmehr den Austausch der Bewegungsgröße, wird durch eine
Reihe von Umständen erschwert. Zunächst ist es, wie schon oben betont, nur eine sehr rohe Annähe
rung an die Wirklichkeit, wenn der Wert von v als konstant angesetzt wurde, eine Vereinfachung, die
im Grunde nur dazu dient, der Aufgabe eine Form zu geben, die ihre mathematische Bewältigung er
möglicht. In der Tat haben S o 1 b e r g 8 9 ) und P r a n d 11 und Toll m i e n°) Wege gezeigt, wie man bei
stationären Strömungen der Luft der Wirklichkeit näher kommen kann, und sie kommen zu einem
Ergebnisse, das eine kräftige Zunahme der Turbulenz vom Boden aufwärts bedeutet, während sie am Boden
selbst = 0 ist. Aber die Ergebnisse lassen sich nicht ohne weiteres auf die mit der Zeit stark ver
änderlichen Gezeitenströmungen anwenden. Daher mußten hier andere Wege zur Ermittelung der
Scheinreibung eingeschlagen werden.
Um eine möglichst einwandfreie Grundlage zu haben, wurden als Ausgangspunkt nicht die auf
„Panther“ gefundenen Mittelwerte, sondern die harmonisch ausgeglichenen Beobachtungen des am
19. VI. eine Tide lang an einer Hanfleine verankerten Kutters gewählt, die mit dem Ekman-Merz-
Strommesser gemacht wurden; es ist anzunehmen, daß die Bewegungen des Bootes geringfügiger waren
als die des „Panther“, und daß sie deshalb verläßlichere Einzelwerte erbrachten, die als Messungen
tatsächlicher Ströme für mechanische Betrachtungen vielleicht wertvoller sind als Mittelwerte. Die
*) A. a. O. A. d. Archiv d. Deutschen Seewarte XU, Hamburg 1923. Taf. 1, hes. Nr. S.
®) Veröff. Inst. Meeresk., N. F„ A 3. Berlin 1913. Tafel nach S. 1(1.
7 ) Bull. Hydrogr., Cons. Perm. Expl. Mer. Kopenhagen 1910—1911, Tat'. III -V: 1912—1913, Taf. II.
#) Solberg, H.: Sur le frottement dan.s les couches hasses de Pntmosphfcre. Förh. Skandln. Natnrfor.sk.
Mötet Göteborg 1924, S. 95—120.
9 ) Prandtl, L. und Tollmien, W.: Die Wind Verteilung tiber dem Erdboden, errechnet ans den Gesetzen
der Rohrströmung. Ztschr. F. Geophysik I, 1925, S. 47—55.