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Full text: 46, 1928/1929

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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — 46. Bd. Nr. 3. 
Bezieht man die Zeit des Stromkenterns auf die Hoch- bzw. Niedrigwasserzeit in Wilhelms 
haven und betrachtet als maßgebend die N- und S-Komponente, so ergibt die harmonische Analyse, daß 
am 12. YI. 1924 (Monddurchgang in Greenwich um 7.33 und 19.58 M. Gr. Z.) der Strom kenterte 
in lm Tiefe um 11 Min. nach H.-Wss., um 26 Min. nach Nd.-Wss. und wieder um 14 Min. nach H.-Wss. 
Somit wechselte der Strom seine Richtung fast zur Zeit von H.-Wss. und Nd.-Wss., woraus folgt, daß die 
Flutwelle des 12. VI. bei Wilhelmshaven annähernd als stehende Welle angesehen werden kann. Läßt man 
Unterschiede von wenigen Minuten beiseite, so ergibt sich, daß der Strom in allen Tiefen fast gleich 
zeitig kenterte, mit Ausnahme vielleicht der lOm-Tiefe, wo er bei Niedrigwasser etwa % Stunde eher 
seine Richtung wechselte als an der Oberfläche. Dies entspricht einer auch sonst bekannten Erfahrung 
und erklärt sich durch eine Betrachtung des Schwingungsvorgangs. Bei Hochwasser in Wilhelmshaven, 
das beinahe mit Hochwasser im Jadebusen zusammenfällt, besteht z. B. in der Jade ein Gefälle nach einem 
draußen in der Nordsee gelegenen Punkte, wo etwa Niedrigwasser herrscht. Die im Gefälle aufge 
speicherte Energie der Lage setzt sich in Energie der Bewegung um, indem das Wasser mit steigender 
Geschwindigkeit ausströmt, bis der Wasserspiegel wagerecht liegt; zu dieser Zeit ist das Gefälle = 0, und 
die ganze Energie kinetisch. Das infolge seiner Trägheit noch immer ausströmende Wasser bewirkt 
eine weitere Entleerung der Jade und eine Anhäufung von Wasser in der Nordsee, und zwar so lange, 
bis die Bewegungsenergie durch das Gegengefälle «ufgezehrt ist; alsdann kehrt die Stromrichtung um. 
Am Boden aber (und auch an den Ufern) wird die Bewegungsenergie durch Reibung vermindert und er 
reicht infolgedessen früher den Wert Null als an der Oberfläche. 
Was die Stromgeschwindigkeit angeht, so ergab die harmonische Ausgleichung für 1 m Tiefe 
Höchstwerte von rund 1.9 kn im Ebb- und 2.0 kn Im Flutstrom, in 5 m Tiefe 1.7 kn bzw. 1.8 kn, in 10 m 
Tiefe 1.4 kn bzw. 1.5 kn. Freilich war der gleichzeitige Tidenhub in Wilhelmshaven nur — 327 cm ge 
gen ein langjähriges Mittel von 359 cm, da der 12. VI. fast mit Nippzeit zusammenfällt. Die Stromge 
schwindigkeiten werden daher meistens größer sein; ob allerdings ihre zeitlichen Veränderungen, 
insbesondere die halbmonatliche Ungleichheit, zu denen des Tidenhubs einfach proportional sind, diese 
Frage ist noch umstritten. F. Wendicke 3 ) stellte für die Zeit vom 11.—16. VIII. 1910 auf den Feuer 
schiffen Borkum-Riff, Norderney, Amrum-Bank und Elbe I eine Abnahme der mittleren Stromgeschwin 
digkeit von 31—33% fest, während die gleichzeitige Abnahme des Hubs an den Pegeln von Borkum und 
Boter-Sand-Leuchtturm 26%%, in Delfzyl, Bremerhaven und Cuxhaven aber nur 23% betrug; die halb 
monatliche Ungleichheit der Stromgeschwindigkeiten war also größer. Für den Juni 1924 aber stellen die 
beiden Änderungen sich als fast gleich heraus, zumindest für die, allerdings ziemlich frei gelegene, 
Spring- und Nipptideposition. (Vgl. S. 48.) Es möge daher, um zu einer vorläufigen, rohen 
Schätzung zu kommen, künftig Strom und Tidenhub einander proportional angenommen werden. Setzt 
man den mittleren Tidenhub in Wilhelmshaven = 100%, so sind Spring- und Nipptidenhub = 110% 
und 85%, und der Tidenhub des 12. VI. beträgt 91%. Um daher die vermutlichen mittleren 
Stromgeschwindigkeiten zu finden, wird man die am 12. VI. beobachteten Werte um 10% ver 
größern, was (unter dem gemachten Vorbehalt) für 
1 m Tiefe auf 2.0 kn Ebbstrom und 2.2 kn Flutstrom 
5 w m Lß ,, ,, „ 1.9 „ „ 
10 „ ,, ,, 1.5 ,, ,, „ 1.6 „ „ 
führt; für Springzeit müßte hierzu man 10% hinzuiügen, für Nippzeit 15% abziehen. 
3 ) F. Wendicke: Hydrogr. u. Biol. TJnt. a. d, deutschen Feuerschiffen der Nordsee 1910—11. V. Inst. 
Meevosk., Neue Folge, A, 3, Berlin 1913, S. 48 ff.
	        
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