38 Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — 44. Bd. Heft 8.
Di« Tageseinflüsse beeinflussen infolgedessen im wesentlichen nur die unteren Luftschichten, sofern
sie nicht größere Umlagerungen kalter und warmer Luftmassen, wiez. B. hei Gewitterböen, aus lösen.
Aufzeichnungen von Tientsin (Results of the Meteorological Observations made at the Japanese
Meteorological Stations in China, Tokio) in den Jahren 1904—06 gestatten, die jährliche Periode der
Sturmhäufigkeit durch die mittlere Anzahl der Stürme mit einer Geschwindigkeit von 50—98km/Std.'
je Monat darzustellen:
I
II
III
IV
V
VI VII
VIII
IX X
XI
XII
Jahr
0.5
0.5
2.0
2.0
1.0
1.0 —
—
— 1.5
—
1.5
10.0
Frühjahr
Sommer
Herbst
Winter
5.0
1.0
1.5
2.5
Die meisten Stürme fallen somit auf die Monate März und April.
2. Burane.
Während im Frühjahr und Sommer der mittlere und östliche Teil des Luftwegs von Staubstür
men betroffen wird, kommen im Herbst und Winter im russisch-asiatischen Streckenabschnitt starke
Schneestürme vor, die an intensive Kaltlufteinbrüche aus Nordwesten nach einer vorangehenden
Wärmewelle gebunden sind. Der unmittelbare Zugang Asiens zum Eismeer läßt die Kaltluftmassen
hereinbrechen, ohne daß sie über warmen Meeresströmungen angewärmt werden, wie die nach West-
lind Mitteleuropa gelangenden Kältewellen von der Ostgrönlandsee. Die Temperaturgegensätze
zwischen der hereinbreohenden kalten Nordwestströmung und der vorliegenden warmen Südwest
strömung sind daher besonders groß, so daß heftige Nordwestböen die Folge sind, ähnlich wie bei den
Blizzards in Nordamerika. Die von der kalten, schweren Nordwestluft gehobene, wärmere, feuchte
Luft veranlaßt dabei ausgedehnte Schneefälle. Die Vereinigung von Sturm und dichtem, jede Sicht
nehmenden Schneefall läßt die als „Buran“ oder „Purga“ bezeichneten Schneestürme als besonders
kritisch für den Luftverkehr erscheinen. „Bei der Purga ist die Luft ein Chaos von beweglichem, har
ten Schneestaube, der die Augen verschließt, das Atmen beklemmt, in die feinsten Ritzen der Kleidung
eindringt und Menschen und Tiere umstößt. Nur der Wald bietet Schutz; wo er fehlt, müssen Menschen
und Tiere entweder sich hinlegen und vom Schnee bedeckt, das Ende des Sturmes abwarten oder sie
treiben willenlos ins Verderben. Jede Orientierung geht in diesen Schneestünnen verloren, und selbst
in Südwestrußland erfrieren Menschen dabei in nächster Nähe ihrer Wohnungen“. (W. Koppen, Die
Klimate der Erde, Berlin und Leipzig 1923, S. 62/63). Verfasser beobachtete auf der Heimreise von
Irkutsk bereits am 24. September 1926 in Mittelsibirien im Abschnitt Kansk-Krasnojarsk starke Schnee
böen großer Tiefenerstreckung, in denen die Sicht bis auf wenige 100 m herabgesetzt war, und die
Wolken bis in das niedrige Hügelgelände hineinhingen.
Nach den Untersuchungen H. v. Fickers 54 ) über die Wärme- und Kältewellen in Rußland und
Nordasien, unter deren Auswirkung die Schneestürme sich bilden, breiten sich die Kaltluftmassen, vom
Polarmeer her zunächst südwärts nach Nordrußland, dann südostwärts und schließlich ostwärts
schwenkend nach Sibirien aus, während vor der Kältewelle ein zungenförmiges Gebiet wärmerer Luft
liegt, die vom Ozean, vom Mittelländischen, Schwarzen und Kaspischen Meere stammt. Im Luftdruck
felde liegt auf der polaren Seite der Wärmezunge der Kern eines Tiefdruckgebietes. Im allgemeinen
entspricht dem Vorübergang der Wärmewelle Luftdruckfall, dem Einbruch der Kaltluft Druckanstieg.
Kälte- und Wärmewellen können mitunter von der atlantischen Küste bis zur pazifischen Küste ver
folgt werden, östlich vom Baikalsee und in Nordostsibirien lassen sich jedoch die Kälte- und Wärme
wellen nur noch schwer verfolgen; von den Luftdruckfall- und Steigegebieten treten nur noch Spuren
54 ) H. v. Ficker, Die Ausbreitung kalter Luft in Rußland und Nordasien. Sitzungsberichte d. Wien. Akad. d.
Wissenschaften 119, 1910, S. 1769 ff. — Das Fortschreiten der Erwärmungen (der Wärmewellen) in Rußland und
Nordasien, a. a. O.. 120, 1911, S. 745 ff.