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Full text: 44, 1927

Dr. Heinrich Seilkopf: Grundzüge der Flugmeteorologie des Luftweges nach Ostasien. 
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Die Winter stürme tragen das Gepräge der Bora, wie sie von der Nord 
küste der Adria und der Nordküste des Schwarzen Meeres bekannt ist: 
Schwere kalte Luftmassen stürzen in stürmischen Böen von einem kalten 
Bergland in leichte, warme, über warmem Wasser liegende Luft. Weniger 
einfach ist jedoch die Erklärung der Sommerstürme, die Jakhontow nur kurz 
erwähnt, in dem auch bei ihnen im allgemeinen ein Sinken der Temperatur 
festzu stellen sei, während der Druck steige. Im Sommer liegt über dem See 
bereits ein Kissen kalter Luft, das zunächst die Erscheinungen eines Kälte 
einbruchs abschwächen müßte. 
Bei einem Aufenthalt am Baikal hatte Verfasser Gelegenheit, am 4. Juli 1926 einen Sommersturm 
aus eigener Anschauung kennenzulernen. Beobachtungsort war das Dorf Listwenitschnoe nördlich des 
Angaraausflusses. Nach einem heiteren Tage zog am Spätnachmittag von Westsüdwesten und Westen 
her ein Schirm von flockigem Cirrusstratus auf, dem Stratusgewölk folgte. Um 20.10 h. bildeten sich 
an den Bergspitzen im Südwesten des See® Nefcelflöckchen, die von der einheimischen Bevölkerung 
gleich als Vorzeichen eines rasch hereinbreohenden Sturmes beachtet wurden. Innerhalb von 10 Mi 
nuten entstand an den Bergen ein geschlossener, sich langsam senkender Nebelvorhang. Gleichzeitig 
trieben in etwa 200 m Höhe über dem Wasser gelb-braune Dunstsohwaden aus Südwest, während unten 
noch schwacher Nordostwind herrschte, von dem über dem See lagernden Kaltluftkissen abströmend. 
Eine Viertelstunde nach dem Erscheinen der Nebelflöckchen setzten Stöße warmer Luft aus Süden und Süd 
westen ein, die viel Staub und den Geruch von Waldbrand mit sich führten — Zeichen, daß die Luft von den 
Waldbergen der Umgebung stammte, wo ständig kleine Feuer brannten. Die Winde wurden als „Berg 
winde“ (gornyj) bezeichnet, die dem Sturm vorauszugehen pflegen. Zunehmende Böen aus südlicher 
Richtung bringen weiteren Temperaturanstieg. Und 20 Minuten nach dem Erscheinen der Nebelflöck 
chen fällt Weststurm ein: Die Nebelwand aus Westen rückt vor, in niedriger Höhe treiben dichte 
Wolken von Staub und Nebelmassen. Die Böen nehmen rasch zu; bald erreichen sie Geschwindigkeiten 
von 25—30 m/sec. Rasch kommt erheblicher Seegang auf, und schließlich peitschen die von den steilen 
Uferhängen einfallenden Böen Fahnen fliegender Gischt hoch. Überall sieht man die schmalen Gischt» 
fahnen über den See ziehen, zwischen denen wesentlich geringere Windgeschwindigkeiten herrschen. 
Am Ufer geht zwischen den Böenstößen die Windgeschwindigkeit beispielsweise bis auf 5 m/sec. herab. 
Von 21 h. ab erscheint im Westen und Südwesten lebhaftes Wetterleuchten. Nachdem der Sturm von 
20.80 h. an unvermindert 2 Stunden getobt hat-, läßt er langsam nach, jedoch wurden am 5. um lh., 
also 4'A Stunden nach Sturmbeginn, in Böen noch immer 16 m/sec. erreicht. Erst am 5. gegen 4 h. flaut 
es vollends ab. Am Morgen des 5. fällt in Listwenitschnoe aus ganz niedrigen Wolken feiner Nebel 
regen, der jedoch um 7 h. aufhört. Tagsüber herrscht dann bei leichtem westlichen Winde Stratocu 
mulusbewölkung, die über dem See nachmittags ab nimmt. 
Der Nebel bei Beginn des Sturmes ist als Mischungsnebel aufzufassen, indem die hereinbrechende 
wärmere Westströmung beim Auftreffen auf die kalte Seeluft sich mit dieser mischt und unter den 
Kondensationspunkt abgekühlt wird. Von den Baikalstationen meldet Oharauz nachts und am 5. früh 
ebenfalls Nebel. Das Ferngewitter verdankt seine Entstehung dem darauffolgenden Kaltlufteinbruch. 
Ferngewitter sind von einer ganzen Anzahl von Stationen beobachtet worden; Nahgewitter hat nur 
Maritui gemeldet. Die Vereinigung von orkanartigen Sturmböen, Wärmeeinbruch, Nebel und Fern 
gewitter ließ den Sturm vom 4. Juli 1926 zu einer eindrucksvollen meteorologischen Erscheinung 
werden. (Tafel I, Karten 1—8, Tafel II). 
Die Morgeinwetterkarte vom 4. Juli zeigt ein Tiefdi*uckgebiet von 740 mm am mittleren Jenissei 
und mittleren Ob mit einem zwischen oberem Jenissei und Angara gelegenen Teiltief. Hochdruckge 
biete bedecken das mittlere Lenagebiet und das Al tai-Tienschan-Gebiet. Auf der Vorderseite de® Teil 
tiefs schiebt sich eine Zunge warmer Luft von der Mongolei her bis zur Oberen Tunguska nordwest- 
wärts vor, während westlich des Jenissei Kaltluftmassen lagern. Auf der Sonderwetterkarte vom Baikal 
gebiet von 13 h. liegt das Teiltief — anscheinend in mehrere Kerne aufgesplittert — längs der Angara,
	        
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