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Ans dem Archiv der Deutschen Seewarte,
44. Bd. Heit 3.
Vorderseite die Temperatur steigt und. der Luftdruck fällt. Vor dem Erreichen des Baikalgebietes ist
das Tief nicht durch besondere Stärke und Tiefe ausgezeichnet. Die zur Zeit der häufigsten Stürme
über dem Baikal lagernde Warmluft, die bereits zu einem Luftdroickminimum über dem See in der
normalen Luftdruckverteilung führt, bedingt aber eine Verschärfung der Temperaturgegensätze
zwischen Warm- und Kaltluftkörpern des Tiefdruckgebietes und damit dessen Vertiefung. Auf der
Rückseite des Tiefs strömen sodann Kaltluftmassen ein. Dem Kaltlufteinbruch entspricht das Vor
dringen eines Hochdruckgebietes, das den Luftdruck rasch ansteigen läßt. Und die Verschärfung der
Luftdruokgegensätze läßt den Wind stark auffrischen. Außerdem lagert ein Hochdruckgebiet im Raume
Tschita-Nertschinsk bis nach Mittelasien hinein, an dessen Nordwestrand den vom Westen heran
ziehenden Tiefdruckgebieten der Weg über den Baikal vorgezeichnet ist, das indessen nur langsam ost
wärts zurückweioht. Das Tiefdruckgebiet wird infolgedessen bei oder nach dem Überschreiten des
Baikalsees auf seiner ostwärts gerichteten Bahn auf gehalten. Der Sturm hört erst dann auf, wenn das
auf der Rückseite des Sturmtiefs herannnhemde Hoch über dem Baikal seihst liegt.
Sehr wesentlich beeinflußt wird die hereinb rechende kalte Nordwestströmung durch die Ge
ländeverhältnisse auf dem West- und Nordwestufer vom See. Parallel zu ihm streichen die Ketten des
Primorski- und Onotzkigebirges, in die sich tiefe, zum Baikal führende Täler eingeschnitten haben.
„Und zu diesen querliegenden Tälern sind die Stürme des nordwestlichen Ufers vom Baikal abge
stimmt.“ (Jakhontow).
Durch die Gebirgszüge werden die vom Westen und Nordwesten vorrückenden Kaltluftmassen
zunächst gestaut, bis sie — mächtiger und mächtiger werdend — die Paß- und Kammhöhe erreichen.
Am Kamm erscheinen dann zerrissene Wolken, Frakto-Cumulus- oder Frakto-Stratus-Wolken, die all
gemein am Baikal als Vorboten von Sturm angetroffen werden. Ganz ähnlich werden sie von der Bora
an der Adria beschrieben. 43 ) Über den Pässen !a gern bald dichte Massen von Haufenwolken. Die ein
setzenden Böen zerreißen die Wolken und wirbeln sie abwärts, wobei sie sich infolge dynamischer Er
wärmung auflösen. Die Kaltluftmassen überstürzen dann wasserfallartig die Kämme oder werden
mit außerordentlicher Geschwindigkeit durch die Täler hindurch gepreßt. Windgeschwindigkeit von
40 m/Sek. (144km/St.) und mehr sind dabei keine Seltenheit (Jakhontow). Die Kämme der aufge-
peitschten Wogen auf dem See zerreißen zu langgezogenen Gischtfahnen, wie es ebenfalls von der
Bora berichtet wird. Schiffskatastrophen sind gelegentlich die Folge, wie beispielsweise der Unter
gang mehrerer Schiffe bei der Insel Olchon am 28. Oktober 1901 mit 300 Todesopfern. Der Forschungs
reisen de Tscherski berichtet, daß er sich bei einem solchen Sturme l'Ä Tage lang in einem umgefal
lenen Burjatenboot aufhalten mußte. Als Beispiel eines Sturmes in der kälteren Jahreshälfte sei der
Sturm vom 26.—28. März 1902 (nach Jakhontows Tabellen) angeführt:
Beobachtungen der Station Olchon (Baikal)
25.-29. März 1902
25.
718.4
7 h
— 2.3°
7
NNW
9
716.6
13 h
— 0.6°
3
SSE
17
715.8
21 h
— 0.6°
2
SSE 5
26.
718.1
— 4.1°
9
NNW
24
720.4
— 4.5°
8
NNW
9
718.8
— 7.1°
2
ENE 2
27.
715.3
O
00
G>
y— 1
1
10
NE
17
716.2
— 9.3°
10
C
719.0
—10.6®
9
NW 28
28.
724.3
—15.0°
10
NW
28
726.1
—14-2°
9
NW
40
727.3
—15.4°
1
NW 28
29.
727.0
—17.7°
2
N
4
724.7
—13.8°
9
NW
18
723.5
—12.7°
0
C
¡Luftdruck, Lufttemperatur, Himmelsbedeckung, Windrichtung und Geschwindigkeit (m/sec.)]
Deutlich ist erkennbar, wie der Kaltlufteinbruoh gestaffelt erfolgt. Die erste Staffel geht am 26. früh
vorüber, während der Haupteinbruch am 28. mit starkem Temperaturfall und Luftdruckanstieg statt
findet.
43 ) W. v. Keßlitz, Die Windverhältnisse der Adria. Meteorolog. Zeitschrift 1914.