Alfred Wegener: Theorie der Haupthalos.
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Die Gegensonne kann erst von derjenigen Sonnenhöhe ab existieren, bei welcher sich die Äste des
oberen Berührungsbogens des kleinen Ringes bis zum Horizontal-Kreis herabsenken, d. h., wie oben gezeigt
wurde, von h s — 14,1° ab. 1 )
Obwohl beim Gegensonnenhalo dieselbe Brechung zugrunde liegt wie beim umschriebenen Halo,
sieht man doch leicht, daß die Gegensonne selbst farblos erscheinen muß, weil die Dispersion sich
gerade in Richtung der Brennlinie vollzieht, so daß die Farben sich genau überdecken. In größerem
Abstande von diesem Punkt sollten allerdings wieder schwache Farbenränder auftreten.
Die Beobachtungen scheinen diese Theorie des Gegensonnenhalos durchaus zu bestätigen. Sie zeigen
insbesondere, daß die Gegensonne hauptsächlich bei Anwesenheit des umschriebenen Halos auftritt. Die
gekreuzten Bogen sind meist bis beiderseits des Zenits zu verfolgen. Auf der Sonnenseite verlieren sie
sich allmählich.
12. Der Halo von Parry.
Zum Schluß sei noch die Theorie des Halos von Parry entwickelt, des einzigen bekannten Halos,
der auf einer orientierenden Wirkung der Nebenachsen beruht. Die richtige Erklärung wurde bereits
von Hastings gegeben, doch ist die Theorie von ihm nicht eingehend dargestellt. In der zweiten
Auflage von Pernter-Exners Meteorologischer Optik ist gleichfalls der Strahlengang richtig be
schrieben, doch ist die dortige Angabe, daß dieser Halo das Stück eines Horizontal-Kreises bildet,
nicht zutreffend.
Der Parrysche Halo entsteht durch den brechenden Winkel von 60° dann, wenn nicht nur die
Hauptachse, sondern auch eine der Nebenachsen des Eiskristalls dauernd horizontal liegt, so daß die
Horizontalprojektion des Kristalls, und damit vermutlich der Luftwiderstand, den größten Wert erreicht. Da
die Kristalle dann nur eine einzige Bewegungsfreiheit, nämlich die Azimutänderung der Hauptachse,
haben, muß der Parrysche Halo ein Linienhalo sein.
Der Beobachter und die Eiswolke befinden sich wieder
im Mittelpunkt der von außen betrachteten Himmelskugel
(Fig. 18). Alle Hauptachsen liegen horizontal, alle Eintritts
flächen gleichfalls horizontal, so daß ihre Normalen sämtlich
nach dem Zenit Z weisen. Wir greifen einen Kristall heraus,
der die in der Figur bezeichnete Achsenrichtung habe, so
daß seine Hauptachse nach C weist, und HZH die Normal
ebene des brechenden Winkels von 60° ist. Die Verlängerung
des nach innen gerichteten Lotes auf der Austrittsfläche
schneidet dann die Sphäre in N, so daß ZN = A = 60° ist. Ä ist die Sonne, F der Zielpunkt der
rückwärtigen Verlängerung des Strahls im Innern des Kristalls, und 2 derjenige nach dem Austritt, also
der Halopunkt, so daß nach dem Brechungsgesetz sein muß
z 2'
sin />
sin ZF
sin Z S
sin NF
sin N 2’
Wir projizieren von C aus die Punkte 1, F und S auf Z NH und erhalten die Punkte F\ S’.
und S„ sind die entsprechenden Projektionen vom Zenit auf den Horizont.
Denken wir uns C als Zenit, so wird 2 ein Punkt des Nebensonnenhalos; daher muß sein
iJ = 55'
’) ln Übereinstimmung hiermit gibt K. Meyer folgende absolute Häufigkeiten fttr die Gegensonne bei verschiedenen
Sonnenhöhen:
hs 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 65 60 65°
Häufigkeit der Gegensonne 0010321 1 1 1010