Die wirtschaftlichen Schäden der tropischen Wirbelsttirme.
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Einleitung.
»The East Wind roared ....
Look-look well to youjr shipping! By the
breath of my mad typhoon
I swept your close-packed Praya and
beached your best at Kowloon.«
(Rudyard Kipling.)
Die Entdeckungsfahrten des 15. und 16. Jahrhunderts brachten den Menschen der alten Welt nicht
nur in gänzlich andere, ungeahnte Kulturen, sie stellten ihn auch Naturerscheinungen gegenüber, deren
Gefahren er zunächst rettungslos ausgeliefert war, die er sich aus seinem bisherigen Erfahrungsbereich
nicht erklären konnte. Zu diesen Phänomenen gehören auch die tropischen Wirbelstürme, die Orkane,
die Tormentos, die den Schriftstellern der Entdeckungsfahrten so rätselhaft erscheinen. Schon Kolumbus
mußte gleich auf seiner ersten Fahrt ihre Bekanntschaft machen; 1492 wurde er an der Nordküste von
Kuba 56 Meilen nach Nordosten abgetrieben; 1494 hatte er am Kap Santa Cruz unter einem Orkan zu
leiden. l ) Und seit diesen ersten Fahrten vergeht nun kaum ein Jahr, in dem nicht eine Flotte der
Kolonialmächte dem Element Tribut zollen muß oder eine neue Siedelung dem Erdboden gleichgemacht
wird. Wohl macht sich der Seefahrer allmählich mit ihrem Wesen, das sich bis heute noch einer völligen
Deutung entzogen hat, vertraut, aber gleichwohl ist die psychische Wirkung des Wtitens dieser Naturkraft
auf jeden eine gewaltige; die härtesten Seemänner zwingt es auf die Knie, wie es uns oft in Reise
schilderungen z. B. von Drake und bei Francisci berichtet wird. 2 ) Heute noch immer wieder von neuem
dringt auch in unsere sicheren Breiten die Kunde von den furchtbaren Wirkungen der Orkane. All
jährlich durcheilen Berichte von ungeheuren Verwüstungen, vielen tausend Toten unsere Zeitungen. 5 )
Es ist daher nicht zu verwundern, daß sich die Wissenschaft bei allen seefahrenden Nationen, besonders
aber in den unmittelbar betroffenen Ländern seit vielen Jahrzehnten mit der meteorologischen Erklärung
der tropischen Wirbelstürme befaßt. Ungeklärt ist dagegen geblieben, wieweit sich deren Wirkung im
Wirtschaftsleben des Menschen äußert. So hat man bisher nur vermutungsweise festgestellt, daß die
Orkane auch für die Wirtschaft der betroffenen Länder eine sehr verderbliche Erscheinung sind und
hierfür ziffernmäßig einige große Katastrophen angeführt. Da es eine der ersten Aufgaben der Wirt
schaftsgeographie ist, die Abhängigkeit des Wirtschaftslebens von geographischen Gegebenheiten zu
betrachten, so scheint es am Platze, auch einmal die Orkane von diesem Gesichtspunkt aus zu betrachten.
Man pflegt sie unter jene geographischen Faktoren zu rechnen, die die Ursache einer Unsicherheit
der Wirtschaft, von Sapper Instabilität genannt 4 ), bilden. Bei dem Gesamtbild einer Wirtschaftsent
wicklung ist es schwer, die Wirkung aller jener Momente, die auf sie von Einfluß gewesen sind, heraus
zuschälen. Finden wir doch bei jeder Art von Wirtschaft eine Entwicklung. Unter Wirtschafts
instabilität können wir nur jene Schwankungen der Wirtschaftskurve verstehen, die durch Störungen, die
außerhalb des Bereiches des menschlichen Willens liegen, m. a. W. „durch höhere Gewalt“ hervorgerufen
sind. 5 ) Nur selten treten uns die Schwankungen in einwandfrei meßbarer Form entgegen. Meist sind
die Beobachtungsreihen zu kurz. Es ist kaum möglich, auf die Frage nach der Instabilität, hier wie anderswo
mit einem glatten Nein oder Ja zu antworten; damit wäre auch der Wirtschaftsgeographie kaum etwas
gedient. Ihre Aufgabe scheint nun vielmehr darin zu liegen, das Typische in dieser Wechselwirkung
festzustellen. So kommen wir zu der Fragestellung: In welcher Form zeigen sich die wirt
schaftlichen Schäden der tropischen Wirbelstürme, vor allem nach den Verschiedenheiten der ein
zelnen Wirtschaftsgebiete, und wo und unter welchen Voraussetzungen sind die Schäden
am empfindlichsten? Darauf eine Antwort zu gewinnen soll im folgenden versucht werden.
*) Garriott 43:. 2 ) Francisci (38) S. 1090 ff. s ) Vgl. Sapper ,101) S. 25 ff., ferner David in The british Empire“ Series II, 392,
4 ) Sapper (104) S. 3. 5 ) Über den Begriff der Wirtschaftsinstabilitüt vgl. Seier 115), Einleitung.