Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — 1923. Nr. 2.
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so groß sein, daß bei dieser rohen Darstellung auf die tägliche Ungleichheit keine Rücksicht genommen
zu werden braucht.
Die genannten sechs Diagramme zeigen in den Hauptzügen recht gute Übereinstimmung, besonders
in Bezug auf die Änderung der Richtung während der Tide. Die Stromrosen stellen ein Übergangs
stadium zwischen Drehstrom und alternierendem Strom dar, eine ausgeprägte „Ebb“- bezw. „FluV-
stromrichtung ist überall unverkennbar 1 ); jedoch behält der Strom auch während des Kenterns eine
ausgesprochene Richtung und merkliche Geschwindigkeit. Der Drehungssinn (zyldonal) entspricht
dem Befund bei früheren Beobachtungen auf nahe benachbarten Stationen 2 ). Das Strömungsbild für
19 m Tiefe ist offenbar wesentlich weniger von unperiodischen Einflüssen (namentlich vom Winde) gestört
als dasjenige für 5 m. In dem Diagramm Abb. 3, Tafel 1 erscheint in der oberflächennahen Schicht durch
die vorherrschenden westlichen (südwestlichen) Winde das Herumscliwingen des Ebbstromes nach Nord
westen verzögert, andererseits das Drehen des Elutstromes nach Südosten etwas beschleunigt (vergl.
die Richtung für 0 h, 1 h und 2 h bezw. 6 h und 7 h in 5 m und 19 m). Ganz ähnliche Verhältnisse ergibt
ein Vergleich der Stromrosen für 5 bezw. 19 m Tiefe bei Spring- und Nipptide.
Abgesehen von diesen — leicht erklärlichen — Verschiedenheiten erfolgt jedoch offenbar der
Richtungswechsel in der ganzen Wassersäule recht gleichmäßig. Dies veranschaulicht in
etwas anderer Weise nochmals Abb. 1, Tafel 2, in der Stromrichtung und -geschwindigkeit getrennt dar
gestellt sind. Im Gegensatz zu diesem Befund hatte Wendicke (a. a. 0. S. 15, Fig. 5 und Tafel 1) auf
Feuerschiff „Amrumbank“ verschieden geartete Wasserbewegung für die oberflächennahen bezw. boden
nahen Schichten festgestellt. Die Diagramme der „Gezeitenströmungen nach Elimination der Wasser
versetzung“ (a. a. 0. Tafel 1) zeigen besonders für 0 m, aber auch noch für 5 m Tiefe, scharf ausgeprägten
Ebb- und Flutstrom, für 20 m jedoch das Übergangsstadium zum reinen Drehstrom, wie es die „Poseidon“-
Beobachtungen 1921 für alle Tiefen ergeben haben. Eine nennenswerte Schichtung des Wassers z. Zt.
der Beobachtungen auf , .Amrumbank“, die man zur Erklärung des Widerspruchs zwischen Wendickes
und unseren Ergebnissen heranziehen könnte, ist nur während ganz vereinzelter Beobachtungssätze
festzustellen. Die Erklärung für den Widerspruch ist vielmehr rein technischer Natur: bei beiden Beob
achtungsreihen wurde der Ekman-Strommesser benutzt, Wendicke Bat jedoch die Deviation unbeachtet
gelassen, so daß also die von ihm für die geringen Tiefen angegebenen Stromrichtungen stark gefälscht
sein werden 3 ).
Bedauerlicherweise sind die Beobachtungen auf „Poseidon“ wäRrend der kurzen Zeit, in der östliche
Winde wehten, mehrfach unterbrochen, so daß sie nicht ausreichen, um ein leidlich zuverlässiges Bild
der Gezeitenströmung bei ablandigem Winde zu gehen. Als Ersatz sind die soeben in der Anmerkung
erwähnten Beobachtungen der Deutschen Seewarte auf „Poseidon“ vom 10. bis 11. Juni 1920 heran
gezogen worden. Es konnten jedoch nur die Beobachtungen aus 18 m Tiefe benutzt werden, weil für die
1 ) Die Ausdrücke „Ebb- und Flutstrom“ sind wegen ihrer Kürze zunächst beibehalten worden; vergl. jedoch die
Bemerkungen über das Stromkentem auf der „Poseidon“-Station in Abschnitt 4.
ä ) Vergl. Die Ergebnisse der Untersuchungsfahrten S. M. Knbt. „DracRe“ in der Nordsee. Berlin 1886. S. auch
Ann. d. Hydrogr. 1886, S. 331 ff.
Beobachtungen von Gezeitenerscheinungen der Nordsee. Ann. d. Hydrogr. 1881, S. 347 ff.
Fr. Wendicke a. a. O. S. 34, Fig. 17.
Auf den an sich naheliegenden Versuch, diese älteren Beobachtungen mit denen vom August 1921 zusammen neu zu
bearbeiten, mußte verzichtet werden, weil die Richtungsangaben aus den oberen Schichten wegen Deviationsstörungen
unzuverlässig sind.
s ) Aus einer vorläufigen Bearbeitung einer zweitägigen BeobachtungsreiBe, die im Juni 1920 auf öört'N. und 7°43'
O., also in unmittelbarer Nähe der „Poseidon“.Station vom August 1921 gewonnen wurde, hatte übrigens Verf. selbst
denselben vermeintlichen Unterschied zwischen der Gezeitenströmung nahe der Oberfläche und dicht über dem Boden
herausgelesen. Obwohl die fälschende Wirkung des Schiffsmagnetismus damals bereits •— wenigstens qualitativ — be
kannt war (z. T. eben auf Grund dieser zweitägigen Beobachtungen), kam Verf. zu demselben Schluß wieWendicke, weil
sich für die Geschwindigkeit in 5 m Tiefe eine deirtliche, mit dem Verhalten der Stromrichtung in Einklang stehendePeriode
ergab, in 18 m Tiefe dagegen nicht. (A. Schumacher, Einiges über die Gezeiten in der Nordsee, Der Fischerbote 1921,
S. 868, Fig. 1). Vergl. noch die folgende Fußnote.