Dr. A. M e y : Pilotballonaufsticge auf einer Fahrt nach Mexiko, September bis Dezember 1922.
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I. Einleitung.
Die reichen Ergebnisse 1 ) der von A. Wegener und E. Kuhlbrodt im März bis Juni 1922 auf einer
Fahrt nach Mexiko ausgeführten Beobachtungen von Pilotballonen hatten die Brauchbarkeit des für
Pilot visier ungen auf fahrendem Schiffe konstruierten Spiegeltheodoliten voll erwiesen. Man konnte des
halb zur Weiterführung des Planes schreiten, der eine Reihe von Fahrten über den Atlantischen Ozean
vorsieht zwecks Erforschung der oberen Luftströmungen im Interesse des kommenden transatlantischen
Luftverkehrs. So wurde dank vornehmlich der Unterstützung durch die Luftfahrtindustrie zur Bestreitung
der sachlichen Kosten und Dank der Hamburg-Amerika Linie, welche zwei Plätze nebst freier Verpflegung
auf dem Frachtdampfer „Westerwald“ zur Verfügung stellte, in den Monaten September bis Dezember 1922
die zweite derartige Forschungsreise unternommen, an der außer dem Verfasser ein Vertreter der aus
übenden Luftfahrt, Herr Kapitänleutnant a. D. Flemming vom Luftschiffbau Zeppelin in Friedrichshafen
am Bodensee teilnahm. Ihm sei an dieser Stelle für seine rege und interessierte Mitarbeit an allen Auf
gaben der Expedition noch besonderer Dank ausgedrückt. Während der ganzen Reise konnten wir uns
jederzeit des Entgegenkommens und der Unterstützung seitens des Kapitäns, Graf K. v. Luckner, und
seiner Offiziere erfreuen. Die Drucklegung der Ergebnisse geschieht teilweise aus Mitteln, die von der
Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft in dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt wurden.
Die Ausrüstung war in fast allen Teilen die gleiche wie die von Wegener und Kuhlbrodt be
nutzte (1. c. S. 3), doch wurde diesmal für die Hälfte der Gummiballone ein noch größeres Ausmaß (210 gr.
Gewicht) gewählt. Des weiteren wurde eine möglichst vollständige meteorologische Bordstation ein
gerichtet, um die Verwendbarkeit der Landinstrumente auf dem Schiffe studieren zu können. Es wurde
hierfür eine große englische Hütte aufgestellt, in der das trockene und feuchte Thermometer, die Extrem
thermometer sowie ein Thermograph und ein Hygrograph Platz fanden; ferner fanden Aufstellung zwei
Regenmesser, und zwar ein gewöhnlicher Hellmannscher, der in einem Eisengestell kardanisch auf
gehängt wurde, und ein fest auf gestellter registrierender Hellmannscher Regenmesser, der eine konstruk
tive Veränderung nur insofern erhielt, als durch eine Spannfeder das Abklappen des Schreibhebels von
der Registriertrommel bei den Schiffsschwankungen verhindert wurde. Auch ein Kontaktanemometer mit
Chronograph wurde aufgebaut. Über die Ergebnisse dieser Versuchsstation soll hier nicht berichtet
werden. Auf Wunsch der Abteilung H der Deutschen Seewürfe wurden während der Fahrt täglich See-
wasserproben geschöpft und gleichzeitig die zugehörige Wassertemperatur sowie der Wasserstoffjonen-
gehalt an der betreffenden Meeresstelle bestimmt.
Die Reise, deren genauer Weg aus Fig. 1 ersichtlich ist-, begann am 23. September in Hamburg;
sie führte zunächst nach Antwerpen, von wo die „Westerwald“ am 27. nach Havanna auslief. Am 29.
konnten im westlichen Kanalausgang die Pilotvisierungen beginnen. Westliche Winde, die den Ballon
schnell vom Schiffe abtrieben, besonders da sie zeitweise stark bis stürmisch waren, sowie vor allem viel
fach eine niedrige Wolkendecke, einmal auch Nebel, hinderten zunächst das Erreichen größerer Höhen.
Vom 8. Oktober ab, in etwa 35° Nordbreite und 50° Westlänge, aber traf die „Westerwald“ eine sehr
beständige. Strömung südöstlicher Winde an, über der eine Nordostströmung lag, so daß die Ballone sich
nicht allzuweit vom Schiffswege entfernten, und da auch die Bewölkung im allgemeinen günstig war,
wurden nunmehr leicht große Höhen erreicht. Der bis in größere Höhen sich erstreckende Südostwind
ist dem Schiffe dann bis an die mexikanische Küste hin treu geblieben. Eine Verschlechterung des in
diesem Windgebiete sonst günstigen Wetters trat am 13. Oktober bei den Baliama-Inseln mit zunehmender
Bewölkung und Regenschauern ein; am Nachmittage wurden zwei Funksprüche der Funkstation Miami
auf Florida aufgefangen, die vor einer in der karaibisohen See bei den Swan-Inseln erschienenen Zyklone
warnten. Der 14. Oktober brachte stürmischen ESE-Wind (bis 21. mps.) mit Regenschauern und abend-
*) A. W egener u. E. K u li 1 b r o d t, Pilotballonaufstiege auf einer Fahrt nach Mexiko März bis Juni 1922. Aus
dem Archiv der Deutschen Seewarte XXXX. Jhg. 1922, Heft 4.