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Ans (lera Archiv der Deutschen Seewarte.
— 1023. Kr. 2.
2. Vertieftes Niedrigwasser in Westerley Nord. Die umgekehrte Erscheinung findet sich
in Westerley Nord (Tafel 4, Nr. 16) und ähnlich in Westerley Süd. Bei tiefem Niedrig wasser (tiefer als
— 90 cm in Westerley Nord, —100 cm in Westerley Süd), also namentlich um Springzeit, aber auch,
wenn der Wind das Wasser fortgetrieben hat, fällt das Wasser bis etwa — 70 ; — 80 cm NN regelmäßig,
dann aber mit wachsender Beschleunigung. Man kann annehmen, daß bis zu der fraglichen Höhe noch
ziemlich große Teile des höheren Watts unter Wasser sind, und daß das Wasser bis dahin langsam abläuft;
daß aber unterhalb derselben im wesentlichen nur die Priele Wasser führen und der in ihnen enthaltene,
namentlich in der Nähe der Wasserscheide nur kleine Rest dann schnell wegfließt. Daß die Schmalheit
des Priels hier mitspricht, indem dadurch die Wassermenge eingeschränkt wird, scheint auch daraus
hervorzugehen, daß in dem nahen Osterley Süd, das aber in einer etwas breiteren Mulde liegt (vgl. die
Seekarte Nr. 70), die Tidekurve keine solchen Steilabfälle besitzt.
3. Borenartiges Steigen in Südwesthörn. Während die Eigentümlichkeit des schnellen Pallens
in der Gezeitenliteratur eine Seltenheit bildet (meistens ist der letzte Teil des Fallens, wenn überhaupt
unregelmäßig, verlangsamt; z. B. Tafel 4, Nr. 13, 14 u. a.), ist der entgegengesetzte Pall eines schnellen
Steigern um so öfter behandelt. In den Sylter Gewässern ist es namentlich Südwesthörn, wo der fallende
und der steigende Ast der Tidekurve nicht allmählich ineinander übergehen (Tafel 4, Nr. 13), sondern
einen scharfen Knick bei Niedrigwasser büden, wie er bei den anderen auf dem seichten Wasser beobachte
ten Kurven (Osterley Süd, Westerley Süd, und Westerley Nord) nicht in dieser Schärfe auftritt. Häufig
beginnt das Steigen in Südwesthörn aber noch unvermittelter; eine Reihe von Beispielen bringt Tafel 4,
Nr. 17. In wenigen Minuten steigt das Wasser um mehrere Dezimeter, fällt dann öfters eine kurze Zeit und
steigt mit etwas geringerer Geschwindigkeit, aber auch noch sehr schnell, weiter; gelegentlich tritt auch,
wie am 16. August, nach dem ersten, fast augenblicklichen Steigen kein Fallen, sondern ein langsameres
Steigen ein, worauf das Wasser wieder schnell, aber nicht so plötzlich wie anfangs, weiter steigt. Die
Pegelkurven erinnern außerordentlich an die bei Boren beobachteten; eine von Partiot angegebene 1 )
ist in der Figur mit verzeichnet. Die Ähnlichkeit leuchtet ein, wenn auch die Erscheinung in der Seine
(„mascaret“) viel großartiger entwickelt ist. Durch Augenbeobachtung ist freilich aus Südwesthörn
keine Bore bekannt, wie sie denn in deutschen Gewässern, außer in der Ems vor ihrem Ausbau, nicht
beobachtet ist. Möglich wäre indessen, daß sie doch noch nicht groß genug und hinreichend scharf aus
geprägt ist, um sich dem Auge bemerkbar zu machen. Eine Bore im Wattenmeer hat Comoy beschrieben 2 )
aus der Bucht von St. Michel, wo sie vor der Mündung des Couesnon entsteht. In seinem Atlas gibt er auch
Tidekurven von Boren, bei denen ein Zurücksinken nach dem ersten plötzlichen Steigen eintritt. Vor
bedingung für das Zustandekommen der Bore ist nach Comoy ein beschränktes Fassungsvermögen des
Flußlaufs, und sehr fördernd eine Barre vor der Mündung, die bei Niedrigwasser trocken fällt. Ob man
das auf Südwesthörn hinführende Priel und seine Verstopfung in der Höhe von Dagebüll so auffassen
darf, würde jedoch noch einer eingehenderen Untersuchung bedürfen.
4. Doppeltes Niedrigwasser in Husum. Endlich soll darauf hingewiesen werden, daß in Husum
gelegentlich doppelte Niedrigwasser auf treten. Sie sind allerdings nicht immer so deutlich wie am 11.
August (Tafel 4, Nr. 18), sondern drücken sich oft nur in einer Verbiegung des unteren Teils der Tide
kurve aus. Zwischen den beiden Niedrigwassern vergeht rund eine Stunde, bald etwas mehr, bald weniger.
Schwingungen um Niedrigwasser und eigentliche doppelte Niedrigwasser wurden aufgezeichnet am
5. August Nm., am 10. August Um., am 11. August Vrn. und Nm., am 16. August Nm.. am 17. und 18.
August Vm. und Nm. Diese Art des Vorkommens scheint gegen kosmische Ursachen zu sprechen, denn
am 3. August war Neumond, am 10. August Erstes Viertel und am 18. August Vollmond. Vielmehr tritt
das doppelte Niedrigwasser nur bei tiefem Niedrigwasser auf, gleichgültig, ob dies durch Springtide oder
durch Windstau hervorgerufen ist. Das Wasserbauamt Husum sieht die Erscheinung als eine Entstellung
der normalen Tidekurven durch Sielzug an, da 80 m vom Pegel entfernt ein Entwässerungskanal mündet;
ob es sich um eigentliche Schwingungen handelt, ist danach mindestens zweifelhaft, Dagegen scheinen
*) Partiot, Mémoire sur le Mascaret. Ann. des ponts et de8 chaussées, IV. R. Paris 1861, S. 17.—48, s. bes. Taf. 3.
2 ) Comoy, Etude pratique sur les marées fluviales et notamment sur le mascaret. Paris 1881, S. 354if.