Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — 1D22. Heft i.
2. Juni nachmittags die Rückreise unmittelbar nach Hamburg angetreten, welches wir am 21. Juni, nach
97tägiger Abwesenheit, erreichten. Auch diese zweite Überquerung- des Nordatlantischen Ozeans, die
wesentlich nördlicher ganz in der Westwindzone erfolgte, war in Bezug auf das Wetter nicht günstig
für Pilotballonaufstiege. Tag für Tag hatten wir allerdings denkbar beste Windverhältnisse; bei von
hinten kommendem Wind blieb der Ballon anfangs fast vertikal über dem Schiff und trieb dann lang
sam voraus. Aber stets verschwand der Ballon in fast immer geschlossener niedriger Wolkendecke.
Über dem eigentlichen Golfstromgebiet waren trotz der auch uns oft heimsuchenden Gewitter und
Schauer die Verhältnisse noch am günstigsten, weil zwischen den Gewitterwolken der Himmel hin und
wieder aufklarte. Hier gelang der letzte Aufstieg über 10 000 m Höhe. Die Bewölkung wurde dann
aber immer ungünstiger, die erreichten Höhen gingen mehr und mehr zurück. An den Tagen vom
10. bis 15. Juni, auf dem größten Teil der Strecke zwischen der Neufundlandbank und dem Kanal,
herrschte Hochnebel oder Nebel, der Aufstiege oft unmöglich machte. Wenn auf der Rückreise trotzdem
im ganzen noch leidliche Ergebnisse erhalten wurden, so ist dies nur der sofortigen Ausnutzung oft
nur halbstündigen Aufklarens zu danken. Die letzten Tage vor dem Kanal brachten schließlich noch
bei besserer Sicht, aber starker Bewölkung stürmische nördliche Winde, ähnlich wie auf der Hinreise.
Das meteorologische Tagebuch gibt im einzelnen Aufschluß über die Witterung während der
Reise (s. S. 6 und 7).
Das obige Tagebuch enthält nur die Beoöachtungen von den Tagen, an welchen sich das Schiff
auf See in Fahrt befand. Der Luftdruck ist am Quecksilberbarometer abgelesen worden und reduziert
auf Meeresspiegel, Normalschwere und 0 : C und abgerundet auf ganze mm wiedergegeben. Lufttempe
ratur und Luftfeuchtigkeit wurden unter möglichster Vermeidung von Schiffseinflüssen mit dem Aspi
rationspsychrometer bestimmt. Der wiedergegebene wahre Wind wurde mit Hilfe des Rotch’schen Hilfs
instruments aus dem direkt gemessenen Wind sowie der jeweiligen Fahrtrichtung und -geschwindigkeit
ermittelt. Die Wassertemperatur wurde, da zugleich Wasserproben genommen wurden, in einer Pütze
mit einem gewöhnlichen Wasserthermometer gemessen. Die Differenzen Lufttemperatur — Wasser
temperatur sind im Tagebuch enthalten.
Die Witterung in den Häfen ist aus den betreffenden mexikanischen bezw. nordamerikanischen
Wetterkarten ersichtlich. Ganz kurz sei sie im folgenden charakterisiert:
14.—24. IV., Nordhäfen von Cuba: heiter, trocken, warm.
30. IV.—11. V., Vera Cruz: heiter, trocken, sehr warm. Sicht zum Lande hin diesig; Berge
während der ganzen Zeit nicht zu sehen. Nachm, über den Bergen (Orizaba) regelmäßig cu-ni; dort
abends mehrfach A .
1B.—16. V., Tampico: heiter, warm. Am 15. abendsK. , 16. vorm. © .
20.—23. V., New-Orleans: ziemlich heiter, warm. Am 20. nachm, schwere rs. Böe mit @ 3
am 21. und 23. nachm, mit ® , am 22. abds. A.
28. V.—2. VI., Fern and in a: veränderlich, regnerisch, vielfach bedeckt. Nachm, regelmäßig
starke k. mit # ,
Den bemerkenswertesten Verlauf in der
Luftdruck- und Temperaturregistrierung
zeigt die Gewitterböe vom 20. V. p. Fig. 2
zeigt die Aufzeichnung auf der „Sachsen-
24° c wald“, welche sich südlich New-Orleans auf
22° der Mississippi - Mündung befand. Einem
jo® plötzlichen Temperatursturz von 7° ent-
i S o spricht ein Luftdruckanstieg von über 3 mm;
16 o nach etwa 2 Stunden geht der Luftdruck in
sehr scharfem Fall auf den früheren Stand
zurück (noch etwas darüber hinaus),während
die Temperatur weiterhin kühl bleibt. Diese
Fig. 2.
Mississippi-Mündung, südl. von New-Orleans 20. V. 22.
10 V. Mittg. 2N 4 « 8 10 Mttn.
Luftdruck
Lufttemperatur