Dr. Alb. Beliler: Die unperiod. Temperatnrsehwanknngen an der Westseite Europas und der Ostseite Nordamerikas.
b. Der Verlauf der Temperaturabweichungen von Norden nach Süden und für Europa von Westen
nach Osten.
Die (hier nicht veröffentlichten) Tabellen lassen erkennen, daß sowohl in Europa wie in Amerika
von Norden nach Süden betrachtet große Gegensätze in den Temperaturabweichungen auftreten. Aber
trotzdem läßt sich nicht verkennen, worauf Dove schon aufmerksam machte: daß sich nämlich Tempe
raturanomalien nicht auf einen eng begrenzten Raum beschränken, sondern sich vielmehr auf größere
Gebiete ausdehnen. Solche größeren Temperaturgebiete sind in Europa drei, in Amerika — selbstver
ständlich immer soweit die Kontinente innerhalb unseres Betrachtungsbereichs liegen — zwei zu beob
achten. Die Grenzen dieser Gebiete sind freilich keine konstanten, sondern Änderungen unterworfen.
In Europa gehen für sich:
EI. Die vier skandinavischen Stationen, wozu noch Kopenhagen tritt.
E II. Die Stationen des mittleren und südlichen Küstengebietes einschließlich Mitteleuropa.
EIII. Das östliche Mittelmeergebiet (Rom und Malta).
Die Stationen folgen in Abschnitt c.
In Amerika ist zu unterscheiden zwischen einem nördlichen (AI) und einem südlichen Gebiet
(A II). Die Grenze zwischen diesen beiden Gebieten liegt im allgemeinen zwischen St. Johns und
Toronto; letztere Station gehört also schon mit zu dem südlichen Gebiet. Innerhalb dieses südlichen
Gebietes nimmt Florida zuweilen eine Ausnahmestellung ein, die indessen im allgemeinen so wenig
deutlich in Erscheinung tritt, daß keine besondere Untereinteilung vorgenommen zu werden braucht.
Die Gegensätze in den Temperaturabweichungen zwischen den einzelnen europäischen Gebieten
sind meistens relativ gemäßigter Natur, gehen gewöhnlich auch nur allmählich in einander über. Daher
finden wir hier die Grenzen der einzelnen Gebiete ungleich mehr als in Amerika einem dauernden
Wechsel unterworfen. In west-östlicher Richtung treten die Gegensätze ganz in den Hintergrund, eine
Erscheinung, auf die auch Hann bei der Besprechung der Verteilung des Luftdrucks hingewiesen hat. 1 )
Wie gering diese Gegensätze in west-östlicher Richtung sind, mögen folgende Zahlen beleuchten:
Die beiden Stationen Nantes und Genf, die auf etwa gleichem Breitengrade und um 4° 35'
Längengrade auseinander liegen, weisen in ihren jährlichen Temperaturabweichungen einen mittleren
Unterschied (bezogen auf den 30jährigen Zeitraum 1871--19Ü0) von 0,27° auf; die Wahrscheinlichkeit
eines gleichsinnigen Vorzeichens beträgt 93 %.
Für die beiden Stationen Genf und Wien, die gleichfalls auf etwa gleichem Breitengrade und um
10° 12' Längengrade entfernt liegen, sind die entsprechenden Werte 0,43° und 80%.
Diese geringen Werte scheinen es mir zu rechtfertigen, die Stationen von Mitteleuropa in eine
Gruppe zu bringen mit denen des mittleren und südlichen Küstengebiets, wie ich oben bei Zusammen
fassung der Stationen schon anführte.
Gegenüber diesen im allgemeinen geringen Gegensätzen in Europa ist Amerika das Land der
schärfsten Gegensätze zwischen Nord und Süd, welche Gegensätze vor allem in den Wintermonaten
mit aller Deutlichkeit in Erscheinung treten. Tendenz zu gleichsinniger Abweichung über den ganzen
Küstensaum, die in Europa durchaus keine Seltenheit bildet, gehört in Amerika geradezu zu den Aus
nahmen. Auffallend sind für Amerika auch die enormen Werte, die die Abweichungen z. T. erreichen
und die die Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Bebauung dieses Kontinents stärker differenzieren
als diejenigen der europäischen Westküste.
Da es wissenswert erscheinen mag, welchem der beiden Kontinente Island und Färöer bezüglich
ihrer Temperaturabweiohungen zuzuweisen sind, habe ich für jede dieser Inseln die Abweichungen einer
Station — und zwar für Island von Stykkisholm und für Färöer diejenigen von Thorshavn — mit an
geführt. Die Werte lassen erkennen, daß Island keinem der beiden Kontinente mit Bestimmtheit zu
zuweisen ist. Es liegt bald im nördlichen nordamerikaniseben, bald im nordeuropäischen Temperatur
gebiet, bald geht es vollkommen für sich. Demgegenüber fällt Färöer vorwiegend in das nordeuro
päische Gebiet.
J ) J. Hann, Die Verteilung des Luftdrucks über Mittel- und Südeuropa. Wien 1887.