W. Brennecke: Die ozeanographisclien Arbeitender Deutschen Antarktischen Expedition 1911—1912. 117
und tiefer erstreckt, unterhalb dieser Schicht liegt die Temperatur wieder unter 0° mit den tiefsten
Temperaturen an Boden des Meeres.
Sehr auffallend ist die regionale Verteilung der Temperatur in der warmen Zwischenschicht. Die
Temperatur nimmt hier nicht, wie zu erwarten war, mit Annäherung an den antarktischen Kontinent ab,
sondern in den Schichten von 400 m bis 1000 m Tiefe ist sie am niedrigsten in 61° bis 63° S-Br. und
nimmt alsdann nach Süden wieder zu. So sind in 72° 20' S-Br. die Temperaturen in 400 m bis 1000 m
um mehrere Zehntel Grad höher als in 61° 2' S-Br. 1 ) Im Schnitt prägt sich diese Temperaturerhöhung
im hohen Süden durch die dem Kontinentalrand anliegende von der Isotherme von 0.5° umgrenzte
Wassermasse aus. Für die beweiskräftige Erklärung der Ursachen dieser Temperaturverteilung fehlt
es noch an Beobachtungsmaterial, doch deutet alles darauf hin, daß eine Zufuhr von warmem Tiefen
wasser in Anlehnung an den Kontinentalsockel von Osten her stattfindet, daß also das warme Tiefen
wasser im hohen Süden der Weddell-See nicht aus dem Atlantischen, sondern aus dem Indischen Ozean
stammt. Hierfür sprechen auch die relativ hohen Temperaturen, die die „Valdivia“-Expedition nicht
weit von Enderby Land gemessen hat, sie betragen in den Tiefen von 400 m bis 1500 m durchschnittlich
1.6® 2 ). Jedenfalls kommt ein warmer Unterstrom, der vom Atlantischen Ozean aus direkt auf den Inland
eisrand zu setzt-, nicht in Frage, ebensowenig scheint eine Zufuhr von warmem Wasser von der pazifi
schen Seite aus in Betracht zu kommen, wenn man die Beobachtungen der anderen Expeditionen in
diesem Gebiet mit heranzieht.
Auch in den Bodenschichten des Weddell-Meeres tritt der Unterschied zwischen den Wärme
verhältnissen in 61° S-Br. und denen jenseits von 70° S-Br. in die Erscheinung. So ergaben die Boden
temperaturen bei der Hinfahrt: in 61° S-Br. —0.48° (3201 m), in 64° S-Br. —0.49° (4216 m), dagegen in
72° S-Br. —0.33° (3982 m) und in 73° S-Br. —0.16° (3432 m). Ja, auf dem Steilabfall zwischen Flach-
und Tiefsee treffen wir in 1499 m Tiefe eine Temperatur von +0.33°, Boden-Temperatur der Lotungsstation
120 in 74° 16' S-Br., während wir in gleicher Tiefe bei der Reihe Nr. 56 in 63° 47' S-Br. 0.0° gemessen
hatten. Auch hieraus können wir den Schluß ziehen, daß der w'arme Zwischenstrom sich
an den Kontinentalsockel anlehnt, und daß das Wasser mit den relativ hohen Temperaturen am Meeres
boden, die auf der Südfahrt südlich von 70° S-Br. gemessen wurden, durch Mischung mit dem warmen
Zwischenstrom entstanden ist. Wie aus Kap. II, Abschnitt 6 c hervorgeht, sind die hohen Bodentempe
raturen nur zwischen 28° und 36° W-Lg. beobachtet worden, nämlich dort, w r o eine Schwelle das Schelf
becken gegen die Tiefsee abgrenzt, während weiter westlich während der Trift der „Deutschland“ die
niedrigsten Temperaturen am Boden des Weddell-Meeres (—0.88° in 2653 m, —0.85° in 3062 m, -—0.78°
in 3123 m und —0.73° in 3516 m) gemessen wurden. Diese niedrigen Bodentemperaturen kommen
durch das Absinken der auf dem Schelf erkalteten und hier nicht durch eine vorgelagerte Schwelle
gehemmten Wassermassen zustande; je größer die Tiefe und je weiter entfernt vom Schelfrand, desto
mehr tritt eine Vermischung des vom Schelf absinkenden, sehr stark abgekühlten Wassers mit dem in
größeren Tiefen befindlichen Bodenwasser und eine Annäherung an die Durchschnitts-Bodentemperatur
der großen Tiefen (—0.5°) ein.
Wenden wir uns jetzt in der Betrachtung des Schnitts von den höheren südlichen zu den
höheren nördlichen Breiten. Hier konnte zur Zeichnung der Isothermen nicht eigenes Beob
achtungsmaterial genommen, sondern aus der großen Zahl der vorliegenden anderweitigen Beobach
tungen mußten einige charakteristische Stationen herausgegriffen werden (siehe auch Kap. IV, Ab
schnitt I). Der Schnitt ist über den Island-Faröer-Rücken möglichst durch die Mitte des Europäischen
Nordmeers gelegt worden, hier das zentral gelegene Kaltwasser-Gebiet kreuzend. Die vergleichende
Betrachtung zwischen Norden und Süden zeigt uns die Bedeutung, die dem Island-Faröer-Rücken zu
kommt. Dieser ist als eine unterseeische Trennungsmauer zwischen dem kalten Tiefenwasser des Nord
meeres und dem wärmeren Tiefenwasser südlich des Rückens aufzufassen. Die Unterschiede zwischen
i) Eine kartographische Darstellung der Temperaturverhältnisse habe ich in einer früheren Arbeit gegeben,
Vergl. Ann. d. Hydr. usw. 1918. Tafel 6 u. S. 181—183.
s ) Vergl. auch „Valdivia“-Werk, Bd. I Atlas, Tafel XXIX, Xr. III.