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Einleitung.
Trn Jahre 1911 bekam S. M. S. „Möwe“ den Auftrag, die Küste von Deutsch-Südwest-Afrika zu ver
messen. Da S. M. S. „Möwe“ als Vermessungsschiff der kaiserlichen Marine mit Apparaten, die zu
ozeanographischen und meteorologischen Beobachtungen notwendig sind, ausgerüstet war, so lag es
nahe, daß auch in dieser Hinsicht Beobachtungen angestellt wurden. Vor allem wurde hierzu die Aus
reise von Wilhelmshaven nach Lüderitz-Bucht benutzt, indem unterwegs 56 Stationen gemacht wurden,
um durch Lotungen, Temperaturbestimmungen und Entnahme von Wasserproben etc. die physikalischen
Verhältnisse des Meeres und durch Pilotballons und Drachenaufstiege die der Atmosphäre zu unter
suchen. 1 ) Derartige Beobachtungen mußten jedoch leider fallen gelassen werden, sobald die Hauptauf
gabe, die Vermessung der Küste unserer Kolonie, die vorhandenen Kräfte beanspruchte. Man mußte
sich daher auf Beobachtungen der Wasseroberfläche und der untersten Luftschichten beschränken.
Um einen Überblick zu geben, unter welchen Schwierigkeiten die Vermessungsarbeiten geleistet
wurden und unter welchen Umständen das bearbeitete Material gewonnen wurde, will ich einen kurzen
Bericht über die Arbeiten der „Möwe“ während ihres Aufenthaltes in Deutsch-Süd westafrika folgen
lassen. 2 )
Die „Möwe“ erreichte am 7. Oktober 1911 Lüderitz-Bucht und wurde nunmehr 13 Monate durch
die Vermessungsarbeiten an der Küste unserer Kolonie festgehalten; allerdings einschließlich einer
dreimonatigen Unterbrechung — vom 10. April bis 12. Juli 1912 —, während welcher Zeit die „Möwe“
zwecks Ausbesserung in Kapstadt weilte, so daß leider die Beobachtungen für diese Zeit fehlen.
Die Vermessungsarbeiten gestalteten sich außerordentlich schwierig, und zwar lag der Grund
hierfür in der Unwirtlichkeit und Unzugänglichkeit der Küste. Jahraus, jahrein bestürmt eine aus
Südwesten, manchmal auch aus Nord westen kommende hohe Dünung diese Küstenstriche, die wegen
ihrer geringen Gliederung nur in zwei Buchten, Lüderitz-Bucht und Walfisch-Bucht, den Schiffen gegen
die Wogen des Meeres leidlichen Schutz zu bieten vermag. Sonst ist an der ganzen 750 Seemeilen langen
Küste von Deutsch-Südwestafrika kein schützender Ankerplatz zu finden, da die übrigen mit dem Namen
Bucht belegten Küstenteile diese Bezeichnung nur einer „sehr optimistischen Auffassung“ verdanken.
Überall hat das Meer freien Zutritt an das Festland, und so kommt es, daß die hohe Dünung längs der
ganzen Küste eine außerordentlich starke Brandung veranlaßt, die das Landen mit dem Boote selbst
bei günstigen Verhältnissen außerordentlich schwierig und gefahrvoll macht. Dazu kommt noch, daß
das Küstenhinterland eine bäum- und strauchlose Steinwüste 3 ) ist, in der sich nur alle 100 km mal ein
Wasserloch mit brackigem Wasser findet, somit also den Aufenthalt an Land recht schwierig gestaltet.
Bedenkt man, daß die Vornahme von Triangulationen eine Landtruppe erforderte, und berück
sichtigt man die natürlichen Verhältnisse dieser Küste, so erkennt man sofort die Schwierigkeiten, die
sich den Vermessungsarbeiten entgegenstellten. Es mußte nicht nur die Landtruppe vom Schiff aus
durch die gefahrvolle Brandung an Land gebracht werden, sondern es mußte auch die Verpflegung
dieser Mannschaften vom Schiffe aus erfolgen. Man hatte diese Schwierigkeiten vorausgesehen und
sich deshalb eine besondere Bootsmannschaft, bestehend aus Togoleuten, mitgebracht, Neger, die infolge
ihrer heimatlichen Verhältnisse eine außerordentliche Geschicklichkeit in der Durchquerung der Bran-