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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1914, Nr. 1
Kap. II. Meerestiefen.
§ 6.
Methoden, Instrumente und Erfahrungen bei der Tiefseeforschung.
1. Lotungen.
Es standen während der Ausreise außer 4 kleinen Lueas-Lotmaschinen, die für die verschiedensten
Vermessungszwecke auch vom Boot aus benutzt wurden, eine fest eingebaute große Lucas-Lotmaschine
und eine ebenso eingebaute Sigsbee-Lotmaschine, letztere verbunden mit ozeanographischer Heißtrommel,
zur Verfügung. Die große englische Lucas-Lotmaschine, an der Backbordseite eben vor der Kommando
brücke dicht bei der Reeling auf einem Podeste befestigt und durch Elektromotor getrieben, ist, soweit
ersichtlich, nur bei 2-3 Tiefseelotungen am Anfang der Reise benutzt worden und hat dabei gut gearbeitet. 1 )
Man hat dann aber später die an Steuerbordseite vor der Kommandobrücke auf dem Deck stehende Sigs-
beemaschine ausschließlich benutzt, offenbar weil sie noch bequemer und sicherer funktionierte als die
Lucas, da sie die oft unangenehm auf die Drahtausgabe wirksamen Schiffsbewegungen in hohem
Grade selbsttätig kompensiert. * 2 ) Das an Bord der „Möwe“ befindliche Exemplar (Fig. 6) ist das erste in
Deutschland konstruierte der Sigsbeemaschine; es war in enger Anlehnung an das s. Zt. aus Amerika
bezogene, jetzt auf „Planet“ befindliche Exemplar nach Plänen der Deutschen Seewarte von der Eims-
bütteler Maschinenfabrik, vorm. Filler, Hamburg 1906/7 ausgeführt worden und ist für Dampfbetrieb
eingerichtet. Wie Fig. Nr. 6 zeigt, läßt sich die kleine Dampfmaschine (bis 6 HP.) nach links oder
rechts kuppeln, sodaß sowohl die Sigsbeelotmaschine (rechts) als auch die ozeanographische Heißtrommel
(links) bedient werden kann. Die auf der Figur eben über der Oberkante der Drahttrommel sichtbare
Einrichtung von je 2 kreuzweise über einander gelegten kleinen Stahlrollen sollte für die Drahtführung
beim Einhieven benutzt werden, hat sich aber als unötig erwiesen. Bei der ozeanographischen Heiß
trommel soll die rechts an der Seitenwange aufliegende Bandbremse die Geschwindigkeit der Ausgabe
der Stahldrahtlitze regulieren; wenn man auch die Ausgabe dieser Litze mit der Dampfmaschine vor
nimmt, ist man natürlich vor einem Durchgehen der Litze mit den Instrumenten auch ohne Benutzung
dieser Bandbremse sicher.
Die Kosten der ganzen Maschinenanlage, betrugen M 4350; die Raumbeanspruchung in der Längs
richtung ist 2,35 m, in der Tiefe 1,17 m.
An Lotspindeln kamen, obschon auch Spindeln System London und System Rendle (beide be
schrieben in „Annalen der Hydrographie“ 1902, S. 517) beschafft waren, dauernd doch nur solche nach
Sigsbee in Verwendung, die eine Bachmann'sche Schlammröhre einzuschrauben gestatten; die Sink
gewichte waren solche von 20 und 30 kg. Das Bodenwasser wurde mittelst kleiner Sigsbee-Schöpfer her
aufgebracht, die Bodentemperatur durch Richter’sche Umkehrthermometer in Propeller - Kipprahmen
gemessen. Die Verluste an Lotdraht (0,9 und 0,8 mm 0) und Instrumenten waren sehr gering.
2. Reihenarbeiten.
Die Temperaturen und Wasserproben aus den verschiedenen Tiefen, bei denen die Tiefen bis
1000 m bevorzugt wurden, gewann man auf „Möwe“ in sogenannten Reihen oder Serien von der schon
erwähnten ozeanographischen Heißtrommel aus, die zu diesem Zwecke mit 2000 m Stahldrahtlitze von
3 mm 0 und 2000 m ebensolcher von 2 mm 0 belegt war. Die Temperaturen wurden stets mittelst
Richterscher Umkehrthermometer gemessen, die durch Fallgewichte in Verbindung meist mit dem
') Eine Beschreibung dieser auch auf „Planet“ befindlichen Maschine s, bei A. Stehr, „Deutsche Südpolar-Expedition“,
Band I, Heft 1, S. 66 (mit Abb.).
2 ) Hierüber vergl. G. Schott in „Valdivia“-Expedition, Jena 1902, I. Band S. 15 ff. mit Abbildungen, wo die Maschine
im Einzelnen beschrieben ist.