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Full text: 34, 1911

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Die geschichtliche Entwicklung der Polhöhenbestimmungen bei den älteren Völkern. 
In der zweiten Lebenshälfte des Eratosthenes hatte aber sowohl die Verbesserung der astro 
nomischen Beobachtungsinstrumente als auch die Mathematik selbst solche Fortschritte gemacht, daß man 
bei den Eratosthenischen Methoden und Resultaten nicht mehr stehen bleiben konnte. Die ziel 
bewußte Durchführung einer diesbezüglichen Reformation ist das unvergängliche Verdienst des größten 
Astronomen des Altertums, Hipparchs von Nicäa in Bithynien, dessen geographische und astronomische 
Arbeiten uns bei Strabo verhältnismäßig vollständig erhalten sind. Hipparch hat die Geographie 
seines Vorgängers einer scharfen Kritik unterzogen und verworfen, „weil sie die untrüglichen Mittel der 
gleichzeitig so hoch entwickelten Mathematik nur teilweise verwerte, im allgemeinen aber bei der An 
wendung der früher gebräuchlichen verharre und demnach nicht als naturgemäßer Fortschritt zu betrachten 
sei“ (Berger). In erster Linie verlangte Hipparch für alle wichtigeren Punkte der Karte astro 
nomische Längen- und Breiten bestimm ungen; von den Festlegungen derselben nach den 
schwankenden Angaben der Reisenden, von den trügerischen Schlüssen nach Temperaturvergleichungen 
und all den übrigen Hilfsmitteln, deren sich Eratosthenes und auch Strabo bedienten, wollte er 
nichts wissen. Sein Hauptaugenmerk richtete er auf die Erstellung der berühmten Breitentabelle. 
Zu diesem Zweck teilte er den Quadranten Pol—Äquator in 90 gleiche Teile und suchte darauf jeden 
Ort mit seinen geographischen Koordinaten genau zu plazieren. Dieses gewaltige Unternehmen Hipparchs 
erforderte aber die tatkräftigste Mithilfe und Unterstützung von seiten der Mitwelt. Deshalb richtete er 
an dieselbe die eindringliche Mahnung, ihm nach seinen einfachen Anweisungen von überallher Beobachtungs 
material zu liefern, dessen rechnerische Bearbeitung ihm oblag. Welche Mittel standen nun Hipparch 
für die Breitenbestimmung zu Gebote? Er nennt sie allgemein zusammenfassend 9 t x&v oupavü»v sitixptcft?, 
r, ?6>v xXtpattov srisxs<it? (aoyxpt®«). Strabo I C. 12, IV, Fragment 5 gibt allgemein folgende an: den 
gleiclizeitigen Auf- und Untergang und die gleichzeitige Kulmination der Gestirne, 
die Höhe des Pol es über dem Horizont, Punkte im Zenit; am ausgiebigsten verwandte er: 
das Verhältnis des kürzesten und 1 ängs ten Tages eines Ortes, die G nomon zahlen u nd 
Sonnenhöhen (Berger, S. IG und 3811.). Für Orte innerhalb der Wendekreise gibt er 
auch den Tag an, an welchem die Sonne das Zenit passiert; diese Art der Breitenvergleichung 
benutzte übrigens schon Eratosthenes und später auch Ptoleniaeus; von dem ersteren wissen wir, 
daß dies für Meroe und Ptolemais 45 Tage vor und nach dem Sommersolstitium stattfand. 
Im besonderen finden sich in den Fragmenten von Strabo J, C. 12, V folgende Angaben, 
mittels welcher Hipparch die Breite festzulegen imstande war: 
V, Frag in. 3b: Der ganze kleine Bär ist an der Zimtküste (wahrscheinlich Ceylon oder die 
Halbinsel Malakka) zirkumpolar (cp = 12 u = *, 
„ 4: ln Ptolemais sei der längste Tag 13 Stunden lang (p =— IG bis 17°). 
„ 5: In Syene und Bereilike steht im Sommersolstitium 1. die Sonne im Zenit, 
2. dauert der längste Tag 13 l /s Stunden, 3. vom arktischen Kreis erscheint der 
große Bär fast ganz, außer den Schenkeln, dem Bärensehwanze und dem Stern y- 
., G: In Alexandria und Cyrene ist der längste Tag 14 Stunden; der Arctur steht 
im Zenit, ein wenig nach Süden geneigt (Beispiel für „Punkte im Zenit“). Daraus 
ergibt sich cs = 31 °. 
In Alexandria ist am Mittag der Tag- und Nachtgleieho das Verhältnis 
des Schattens zum Gnomon = 3:5, in Carthago 7 : lJ. 
„ 8: ln Phönizien, Tyrus und Sidon währt der längste Tag FD/i Stunden. 
„ 9: ln Syracus währt der längste Tag 14Vs Stunden. 
,, 11: In Athen währt der längste Tag 14 :! /a Stunden. 
„ 14: Fährt man in den Pontus hinein, so ist der längste Tag lo'/s Stunden, die Orte 
sind gleichweit vom Pol und Äquator entfernt; der arktische Kreis geht durch 
das Zenit; auf diesem Kreise liegen die Sterne Algenib und Schedir « (Parallel 
des Hipparch, der am reinsten erhalten ist). 
., 15c: Die Dauer des längsten Tages beträgt IG Stunden, und der Wendekreis des Krebses 
erhebt sich 17 l h° über den Horizont; das ist die Gegend, die ganze Sommer 
nächte erglänzt im Sonnenlichte (Übergang der Abenddämmerung in die Morgen- 
Archiv 1911, Nr. 2. 2
	        
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