12
Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. 1911, Nr. 5.
Ein zweiter Umstand, welcher die Ergebnisse wesentlich beeinflussen kann, ist die wechselnde
Höhe der Aufstiege. Ist in einem gewissen Zeitraum die für 500 in Höhe gegebene Zahl aus 1000 und
eine zweite für 3000 m aus nur 200 Aufstiegen abgeleitet, so sind 80°/o der für die erstere benutzten
Termine für die letztere nicht zur Verwendung gekommen. Wir dürfen die beiden Zahlen also nur
vergleichen, wenn wir alle Ursache zur Überzeugung haben, dali die 200, beiden Höhen gemeinsamen
Termine als gute Stichproben aus jenen 1000 gelten können, bzw. daß die übrigen 800 keine systematischen,
sondern nur zufällige Unterschiede von diesen 200 zeigten. Wenn nun, wie dies z. 15. in unserem Material
der Fall ist, von diesen hohen Aufstiegen 1 l k mal so viel aus dem Sommervierteljahr als aus dem des
Winters stammen, während in der untersten Schicht der Unterschied nur 13 rt /o beträgt, so werden, wenn
die Mitteltemperaturen aus allen Aufstiegen genommen werden, zwar beide zu hoch sein, aber dieser
Überschuß über das richtige Jahresmittel wild oben viel stärker sein als unten, und infolgedessen eine zu
kleine mittlere Temperaturabnahme nach oben ergeben.
Die älteren Lindenberger Publikationen, in denen die Temperaturmittel der Höhenetagen durch
direkte Mittelung der vorhandenen Aufstiege gebildet wurden, zeigen dies in lehrreicher Weise. Solche
Mittel sind ja, jedes einzeln, berechtigt; sie dürfen aber nicht miteinander verglichen und zur Bestimmung
der vertikalen Temperaturabnahme verwendet werden. Z. B lieferten für 2500 m im Januar 1905 9 Aufstiege
das Mittel — 9.2°, für 3000 m 2 Aufstiege als Mittel — 0.3°. Hier lag aber keine Temperaturinversion vor,
sondern die zwei vorhandenen Aufstiege gaben in diesem Höhenintervall eine Abnahme von 2.1° und 1.0°,
im Mittel also für 100 m 0.31°. Im Jahrgang 1909 der Lindenberger Beobachtungen, wo alle Mittel der
vorhergehenden Jahre neu veröffentlicht sind, ist für diese Zahl, unter Hinzuziehung eines dritten Aufstiegs,
0.29° gegeben und die Mitteltemperatur in 2500 in zu — 7.5°, in 3000 m zu -9.0° bestimmt.
Um der Forderung zu genügen, daß mir Zusammengehöriges verglichen werde, kann man nun
entweder so verfahren, daß man nur die hohen Aufstiege berücksichtigt und die Mittel auch für die
unteren Schichten nur aus jenen ableitet — dann muß man aber für diese unteren Schichten auf einen
großen, unter Umständen den überwiegenden Teil des Materials verzichten, dessen volle Ausnutzung einen
doch der Wahrheit, in der Regel, am nächsten bringt. Oder man begnügt sich mit der Zusammen
gehörigkeit der Zahlen innerhalb jeder Schicht von 500 m, indem man nicht die Temperaturen selbst,
sondern deren während der Aufstiege wirklich beobachteten Änderungen von Stockwerk zu Stockwerk mittelt.
Im folgenden ist dies Verfahren für die Temperatur, ebenso wie in der früheren Arbeit im „Archiv“ 1908 für
die Windstärke geschehen, angewandt worden, großenteils, wie dort, in Verbindung mit dem andern eben-
genannten, indem Aufstiege, die nicht 1000 m erreichten, weggclassen wurden. Wo dies letztere nicht ge
schehen ist, erkennt man es daran, daß die Anzahl der Beobachtungen für 500 m Höhe größer ist als für 1000 in.
In der Tabelle 10 sind sämtliche Mittel der vertikalen Temperaturgradicnten durch direkte Vereinigung
aller der betreffenden Gruppe angehörenden Einzelbeobachtmigen entstanden. Dies ist, wie gesagt, dort
berechtigt, wo wir die vorhandenen Daten als reine Stichproben ans der Gesamtheit ansehen können,
ihre Abweichungen voneinander also „zufälligen“ Charakter haben, oder die Stichproben hinreichend
gleichförmig verteilt sind. Für die der Tabelle zugrunde liegenden, jeweils in einem Aufstieg gewonnenen
„Differenzen“ der 500-m-Ftagen gilt dies oberhalb 1000 m wohl genügend, selbst für das Jahresmittel,
trotz der ungleichen Anzahl der Aufstiege in der warmen und der kalten Jahreszeit. Aber unterhalb
1000 m ist der Einfluß der Jahreszeit auf die Temperaturgradienten so bedeutend, daß das Resultat sich
etwas ändert, wenn man den vier Jahreszeiten gleiches Gewicht gibt, ohne Rücksicht auf die Zahl der
Aufstiege. Man erhält dann:
0 — 500— 1000 — 1500 — 2000 — 2500 — 3000 m Höhe
O.Gö 0.53 0.50 0.49 0.50 0.50
anstatt 0.68 0.54 0.51 0.49 0.50 0.50
Wir wenden uns nunmehr der Diskussion des in der Tabelle niedergelegten Materials zu. Sehen
wir zunächst von den Unterschieden in den nach Windrichtungen geschiedenen Gruppen ab und betrachten
wir den Verlauf der mittleren Temperaturgradienten ganz allgemein. In allen Höhen zeigt sich deutlich
ein jährlicher Gang, der insbesondere in den bodennaben Schichten recht regelmäßig verläuft. Im untersten
Intervall macht sich in markantester Weise der Einfluß der Erdoberfläche geltend, indem in den Sommer
monaten hei überwiegender Einstrahlung und lebhafter Konvektion der theoretisch geforderte Wert der