Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. 1911, Nr. 5.
Anders liegt es bei der weiterhin vorgenommenen Scheidung des Beobachtung,'smaterials nach
Windrichtungen, die eine Fülle weiterer Details zu geben imstande war. Bei der sehr ungleichen Häufigkeit
der verschiedenen Windrichtungen war es nicht zu vermeiden, daß der einen Gruppe erheblich mehr
Material zu floß als der andern. Zu einer Teilung in 8 oder gar 10 Teile wäre die Zahl der Beobachtungen
noch zu gering, um verläßliche Werte geben zu können. Da bei dem starken Uberwiegen der Westwinde
in Hamburg die Zahl der auf einen Quadranten fallenden Beobachtungen gar zu verschieden gewesen
wäre, wurde, um wenigstens einen ungefähren Ausgleich zu schaffen und bei den am häutigsten auftretenden
Winden aus dem Südwestquadranten nicht auf interessantes Detail verzichten zu müssen, dieser nochmals
geteilt, so daß im ganzen fünf Windgruppen von nicht gar zu verschiedenem Gewicht entstanden sind. In
gleicher Weise ist das bereits geschehen in der oben erwähnten Publikation „Drei Jahre gleichzeitiger
meteorologischer Drachenaufstiege“. Die Scheidung des Materials nach den Windrichtungen
wurde in der Weise vorgenommen, daß als maßgebend nicht die Richtung des Windes am Erdboden,
sondern die freie Luftströmung in 5< *0 m Höhe angenommen wurde. Der Wind am Erdboden ist vielfach
lokal oder durch geringe Ausbuchtungen in den Isobaren beeinflußt, weshalb auch die Änderungen gerade
in den untersten Schichten am stärksten zu sein pflegen. Die Beobachtungen aus allen anderen Höhen
sind auf die Windrichtung in der 500 m-Schicht bezogen, um den einzelnen Aufstieg nicht zu zerreißen; würde
man die Einteilung nach der Windrichtung in der betreffenden Höhe selbst vornehmen, so könnten in den
Fällen, wo die Windrichtung mit der Höhe sich änderte, die einzelnen 'feile desselben Aufstiegs in
verschiedenen Windgruppen auftreten und die Vergleichbarkeit der Höhen untereinander völlig aufheben.
Die Verarbeitung des Materials in Rücksicht auf die jährliche Periode und die Herkunft der Luft
strömungen ermöglicht schon ein erstes Urteil über die Abhängigkeit der wichtigsten meteorologischen
Elemente voneinander und dürfte eine gute Grundlage abgeben für die als nächste Arbeit in Aussicht genommene
Untersuchung über den Zusammenhang der aerologischen Daten mit den synoptischen Karten. Ab-gesehen
von diesen grundlegenden Mittelbildungen ließ es aber das vorliegende Material zu, eine Untersuchung über
den Einfluß der täglichen Periode auf die Temperaturgradienten wenigstens in ihren Grundzügeri anzustellen.
Zur Bildung der nach Jahreszeit und Windrichtung gesonderten mittleren Temperaturgradienten
wurde für jeden Tag, an dem überhaupt Beobachtungen aus der Höhe Vorlagen, nur eine Beobachtungsreihe
benutzt, um nicht einzelne Tage ungebührlich zu bevorzugen. In der Regel kam derjenige Aufstieg zur
Verarbeitung, bei dem die größte Höhe erreicht war, wobei aber im allgemeinen die Morgenaufstiege
bevorzugt wurden. Die Berechnung geschah durch Differenzenbildung aus den für die Höhenstufen von
500 zu 500 m ausgewerteten Temperaturen und direkte Mittelung dieser Differenzen. Über die erreichte
Maximalhöhe hinaus bis zur nächsten Höhenstufe wurde nur bei annähernder Konstanz des Gradienten
auf einen Weg von höchstens 150 m und stets mit Vorsicht extrapoliert. Die erhaltenen Werte werden
bis zur Höhenstufe 3000 mitgeteilt; oberhalb dieser Höhe nimmt die Zahl der Beobachtungen so stark ab,
daß sich allgemeine Schlüsse daraus nicht ziehen lassen. Dagegen erscheint die Zahl von 214 Beobachtungen
im letzten noch publizierten Höhenintervall wenigstens für die größeren Gruppen noch ausreichend zu
sein. Um in jedem Falle eine Beurteilung der Zuverlässigkeit der Mittelwerte zu ermöglichen, ist die
Zahl der Beobachtungen überall kursiv angegeben.
Ein aus Stichproben gebildeter Mittelwert muß, wenn die Zahl der Proben genügend groß ist, mit
dem Mittelwert kontinuierlicher Aufzeichnungen übereinstimmen, vorausgesetzt, daß die Verteilung der
Stichproben eine völlig zufällige ist. Sobald sie aber durch die Natur der untersuchten Erscheinung selbst
beeinflußt ist, ensteht ein systematischer Fehler, der nicht wie die zufälligen durch Häufung der Beob
achtungen verschwindet. Wir müssen also sorgfältig untersuchen, oh nicht in der Verteilung der
entnommenen Proben notwendige Fehlerquellen für die Ergebnisse sich finden.
Zuvörderst dürfte der Einwand erheblich ins Gewicht fallen, daß der Betrieb der Statioh in diesen
sechs Jahren lediglich mit Drachen geschah, und daß also diese sämtlichen Beobachtungen eine gewisse Wind
stärke zur Voraussetzung haben, ohne die es nicht möglich ist, Drachen zum Steigen zu bringen.
Andererseits fallen die Beobachtungen auch bei stürmischen Winden zum großen Teil fort, da es dann
nicht gelingt, den Drachen aus größeren Höhen glatt zur Erde zurück zu bekommen. Deshalb wurde häufig,
um nicht unnötig kostbares Material zu opfern, bei Winden, die schon am Erdboden stürmisch wehten,
von einem Aufstieg abgesehen; denn die bei solchen Winden erzwungenen, in der Regel nur sehr schlecht
auswertbaren Aufzeichnungen lohnen schwerlich die aufgewendeten Kosten.