Beiträge mir Klimatographie\von Nordspanien und -Portugal.
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Regenmengen wie in Santiago dürften im Hintergründe der tief einschneidenden Rias überhaupt zu erwarten
sein. Denn darauf deutet schon der Charakter der ganzen Landschaft hin. Saftige Wiesen bedecken in
Galicien die Talgehänge der Riasbuchtcn. Farnkräuter gedeihen überall und treten zuweilen in großer
Fülle auf. Schlinggewächse umranken Felsen und Ruinen, und klare Quellen entspringen dem anstehenden
Gestein, den Wanderer mit kühlem Trünke labend. Als charakteristische Pflanze tritt uns überall der
Mais entgegen, und Eichen-, Buchen- und Birkenhaine erwecken in uns die Erinnerung an unsere mittel
deutsche Heimat. Andererseits zeigt sich der Einfluß des Regenreichtums auch in den Gewohnheiten und
der Lebensweise der Gailegos. So ist der Regenschirm der ständige Begleiter des Gailego bei seinen
Ausgängen, wie z. B. bei dem Besuche der Märkte, und die gerade für die regenreichsten Distrikte Galiciens
charakteristische Bauart der Häuser 1 ) legt Zeugnis dafür ah, daß hier an Regen kein Mangel sein kann.
Endlich scheint auch der atmosphärische Niederschlag eine nicht zu unterschätzende Rolle mitzuspiclen
bei der Ausgestaltung der Relicffonuen des galiciselien Berg- und Küstenlandes; denn es ist kein Abschnitt
der ganzen Küstenlinie von Spanien und Portugal so reichlich gegliedert und so zerrissen wie der Teil,
welcher die Gestade der Rias bajas umsäumt.
Das zweite Gebiet mit 1500 nun jährlichen Niederschlages befindet sich am ozeanischen Abfälle der
Pyrenäen im innersten Winkel des Golfes von Biscaya. Auf den Regenreichtum dieses Gebietes hat bereits
Ilellmann nachdrücklich hingewiesen 1 2 3 ). Es liegen allerdings von dem spanischen Teile des Pyrenäen
abhanges keinerlei wirkliche Messungen vor, welche die Annahme einer derartigen Regenmenge recht-
fertigen, indessen wird die enorme Niederschlagsmenge in hohem Grade wahrscheinlich gemacht durch die
Beobachtungen der auf französischem Boden gelegenen Station Arragori bei Hendaye, die eine jährliche
Regenhöhe von 1830 mm aufweist a ). Überhaupt zeichnet sich die französische Nordseite der Pyrenäen
durch einen viel größeren Niederschlagsreichtum aus als die spanische Südseite. Die ursächliche Begründung
dieser Tatsache ist darin zu erblicken, daß bei der Streichungsrichtung der Pyrenäen von WNW nach
ESE und dem Vorherrschen der regenspendenden NW*Winde die Nordseite im Luv und die Südseite im
Lee liegen muß. Infolgedessen unterscheidet sich auch der französische Abhang der Pyrenäen mit seinem
Reichtum und seiner Frische der Vegetation auf das vorteilhafteste von dem unwirtlichen, oft ganz jedes
Pflanzenwuchses entbehrenden spanischen Abhang zum Ebrotale.
Schließlich ist noch hiuzuweisen auf die nicht näher zu verfolgende inselartige Isohyete, welche die
den feuchten Seewinden in hervorragendem Maße exponierten Au Prägungen der Serra da Estrella umschließt.
Nach dem heutigen Stande unserer Kenntnis empfangen die hohen Regionen dieses Gebirges die reich
lichsten Niederschläge auf der ganzen Iberischen Halbinsel, und mit einer Regenliölie von 2874 mm nimmt
die Station Serra da Estrella eine der ersten Stellen ein unter den regenreichsten Distrikten Europas
überhaupt.
In den einzelnen Jahreszeiten bleibt das Bild der Isohyeten (Tafel 2) der Hauptsache nach
unverändert — ein Beweis für den hervorragenden Einfluß des Reliefs des Landes auf die Intensität der
Kondensation der atmosphärischen Feuchtigkeit, Prinzipielle Verschiebungen der Kurven entspringen aus
dem nach den Jahreszeiten wechselnden Verhalten des Landes gegenüber dem Meere, der Hauptquelle des
meteorischen Wasserdarnpfes. In allen Jahreszeiten aber sind das Iberische Tafelland und das Ebrobecken
ärmer an Niederschlag als die Gestade des kantabriselten Meeres und des Atlantischen Ozeans.
Ein besonderes Interesse gewährt es endlich noch zu verfolgen, in welcher Weise das verschieden
artige Verhalten von Luv und Lee der Gebirge in unserer kartographischen Darstellung zum Ausdrucke
gelangt. Ein Beispiel mag genügen. Auf der Regenseite der Küstengebirge treffen wir die Jahresisokycte
von 900 nun unmittelbar im Meeresniveau an der Nordküste hoi Blaues und an der portugiesischen Küste
nördlich der Mündung des Mondego. Der landscitige Anteil derselben Linie dagegen passiert Guarda in
1039 in Meereshölie und zieht entlang der leeseitigen Abdachung des Asturi sehen Gebirges in einer Soehühe,
die der von Guarda kaum nachstehen dürfte.
1 ) Die meisten Häuser in Galicien tragen an der Vorderseite hölzerne Gallcrien, sogenannte miradorcs, welche
vor Wind und Regen schätzen. Besonders in Coruña ist die Bauweise üblich. Sie findet sich nach Schürt/. (An der
Riasküste Galiciens. Deutsche geographische Blätter, 25. Band, S. 5S) wieder in der Nähe der Pyrenäen, vor allem in
Vitoria, der Hauptstadt der Provinz Alava.
s ) Hellmann, 1. c. S. dl9.
3 ) Angot, Regime dos pluios etc., p. B. 170.