34
Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. 1908, Nr. 3.
Betrachten wir zunächst die erstere, und zwar an der Hand der am Fuße der Tabelle gegebenen
zehnjährigen Mittel für die drei Beobachtungstermine.
Um 8 Uhr morgens ist der überwiegend häufigste Wind der Südwest mit 14.2 %, mittags 2 Uhr
tritt mit noch gröberem Übergewicht an seine Stelle der West (15.6 °/o), und abends 10 Uhr ist wiederum
der Südwest der häufigste Wind (16 0%). Interessanterweise kommt ihm für den Abendtermin, der Ost
wind fast gleich (15.7 %), während morgens der West und mittags der Südwest an zweiter Stelle stehen.
Die häufigsten Winde lassen demnach die bekannte Tendenz erkennen, morgens mit der Sonne zu wandern
und abends zurückzudrehen. Diese verhältnismäßige Häufigkeit der abendlichen Ostwinde, die dem absoluten
Höchstwerte 16.0 für Südwest mit 15.7% fast gleich ist, legt die Vermutung nahe, daß sie dem nächt
lichen Landwinde zu danken ist: Norderney als küstennahe Insel wird natürlich bei ihrem kleinen
Flächeninhalt eine eigene Luftzirkulation nicht zu erzeugen vermögen, vielmehr wird diese von der Küsten-
konfiguration abhängen. Der Seewind wird entsprechend der Lage der Insel aus einem Striche von West
bis Nord, der Landwind zwischen Ost und Süd wehen.
Suchen wir mm in der Tabelle nach denjenigen Monaten, welche hauptsächlich zu diesem Über
wiegen der abendlichen Ostwinde beitragen, so sehen wir, daß im April und Mai die Ostwinde, im Juni
die Nordwinde vorherrschen und die höchsten Häufigkeitsziffern ausnahmslos am Abendtermin aufweisen.
Der Einfluß der lokalen Zirkulation scheint hiernach ziemlich deutlich ausgesprochen zu sein.
Betrachten wir nun die jährliche Periode der Windrichtung, so sehen wir. daß im Januar
die Südwestwinde und nächst ihnen an den Morgen- und Mittagsterminen die Südwinde vorwiegen, wobei
die ersteren eine starke Zunahme, die letzteren eine ebenso starke Abnahme der Häufigkeit am Abend
zeigen; außerdem sind die Ostwinde sehr häufig und ebenfalls abends im verstärkten Maße.
Direkt umgekehrt ist das Bild im Februar: die Ostwinde überwiegen ganz bedeutend die
Südwestwinde, welche bis zu 7 °/o weniger häufig sind. Bei beiden Richtungen nimmt die Häufigkeit vor
mittags ab und abends wieder stark zu.
Im März treten die westlichen Winde an die erste Stelle, und zwar morgens und mittags reiner
West, abends Südwest; ihnen zunächst stehen wieder die Ostwinde, die abends eine Vermehrung erfahren,
die bei den Westwinden nicht vorhanden ist, wohl aber sehr ausgesprochen bei den Südwestwinden.
Abermals treten die Ostwinde im April an die erste Stelle, und zwar mit sehr beträchtlichem
Übergewicht über die Westwinde, das morgens fast 6°/o, mittags 2°/o und abends gar mehr als 11 °/o beträgt.
Dem Ost zunächst kommen die Nordostwinde, die ebenso wie jene eine starke abendliche Zunahme der
Häufigkeit zeigen.
Im Mai herrschen die Nord- bis Ostwinde vor, von denen der Ost mittags eine starke Verminderung
und abends eine noch stärkere Vermehrung zeigt, die Nordostwinde dagegen lassen eine gleichmäßige,
ebenfalls beträchtliche Zunahme vom Morgen bis zum Abend erkennen, während die Nordwinde mittags
ihre größte Häufigkeit besitzen. Da auch der wenig seltenere Mittagswind das gleiche Übergewicht auf
weist, dürfte man wohl die im Vorsommer besonders entwickelte Seebrise hierfür verantwortlich machen.
Der Juni gehört den Winden aus den nördlichen Quadranten fast unbestritten: Nord weht morgens
in 20 °/o, mittags in 24°/o und abends in 25°/o aller Winde, und Nordwest ebenso in 14, 18 und 21 Fällen
vom Hundert. Die Mittagsvermehrung ist mit 4°/o eine verhältnismäßig starke, die weitere Zunahme zum
Abend nur unbedeutend: da im Hochsommer der Sonnenuntergang in der Breite von 53 3 /4° erst gegen
9 Uhr stattfindet, dürfte der Landwind erst ziemlich spät zur Entwicklung kommen, so daß das Nicht
eintreten des abendlichen Rückganges der nördlichen Seewinde nicht gegen die Mitwirkung der Lokal
zirkulation spricht.
Der Hochsommer unterliegt der unbestrittenen Herrschaft der westlichen und nordwestlichen Winde:
im Juli überwiegt morgens und mittags der West, abends der Nord west: relativ häufig ist morgens der
Südwest; fast die gleichen Verhältnisse bietet der August dar, bei dem ebenfalls mittags der West und
abends der Nordwest beträchtlich überwiegt. Diese hochsommerliche Wanderung der Windhäufigkeit von
morgens Südwest nach West zu Mittag und abends nach Nordwest könnte wohl mit dem häufigeren
Auftreten von Gewittern und Böen im Zusammenhänge stehen, die mit Südwest herankommen, mittags
Westwind bringen, und abends mit Nordwest verschwinden. Die im August auch noch häufig auftretenden
abendlichen Ostwinde dürften wohl der Landbrise zuzuschreiben sein.