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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. 1908, Nr. 1.
Pierersche Hofbuchdruckerei Stephan Geibel & Co. in Altenburg.
den gleichen Tagen gebildete Mittel die normalen Unterschiede zwischen den beiden Orten richtiger geben
als solche, bei denen für den einen Ort die stillen Tage in Wegfall gekommen sind. Der mittlere Überschuß
der Windgeschwindigkeit in Hamburg aus den gleichzeitigen Aufstiegen dort und bei Berlin stellt
sich dementsprechend kleiner als der oben schon mitgeteilte Unterschied der Mittel aus allen Aufstiegen
beider Orte, und zwar wie folgt:
April bis September I Oktober bis März
Höhe, Kilometer
. . . . Boden
0.5 km
1.0 km
Zahl
Boden
0.5 km
1.0 km
Zahl
Östliche Winde .
. ... 1.6
3.7
5.0
67
1.9
3.8
3.9
64
Westliche Winde
. . . . 1.0
4.0
4.4
122
0.8
2.6
2.7
141
Allgemein . . .
. . . . 1.2
3.9
4.6
189
1.2
3.0
3.1
205
Hiernach Hamburg
reduziert 5.5
10.4
11.8
i
5.8
12.9
13.0
Die Zahlen der letzten Zeile sind durch Anfügen derjenigen der vorletzten an die Berliner Mittel
erhalten. Sie sind kleiner als die unreduzierten Mittel aus den Drachenaufstiegen, aber doch sicher noch
etwas zu groß, weil von den Tagen, die in Berlin und Hamburg verschieden waren, die zu Hamburg
windigen aufgenonnnen, die hier stillen dagegen fortgefallen sind, da die Drachen nicht steigen konnten.
Der Einfluß der täglichen Periode auf diese Zahlen bedürfte einer eingehenden Untersuchung, auf
die hier schon darum verzichtet wird, weil in den graphischen Darstellungen dieser Arbeit die Tageszeit
nur insoweit angegeben ist, als Nachmittagsaufstiege durch kleine Kreise in der Kurve kenntlich gemacht
sind. Die Fortlassung genauerer Zeitangaben geschah in der Erwägung, daß wegen der oft langen Dauer
der Aufstiege eine ausreichende Aufnahme der Zeiten zu viel Kaum in Anspruch genommen haben würde
und in diesem Rahmen nicht unterzubringen wäre. Die Untersuchung des Einflusses der Tageszeit auf
die Ergebnisse wird nur unter Zurückgehen auf die vollständigen Auswertungen und die Aufzeichnungen
selbst möglich sein, und auch dann vorläufig mit dem Mangel an Material zu kämpfen haben, da die
Aufstiege ja ganz vorwiegend um eine und dieselbe Zeit am Vormittag geschehen.
Die eigentümliche Verteilung der Windgeschwindigkeiten nach der Höhe, die uns in der Figur auf
Seite 10 entgegentritt, kann teils von Änderungen des horizontalen barometrischen Gradienten mit der
Höhe, teils von Änderungen des Verhältnisses zwischen Wind und Gradient herrühren. Dieses letztere
muß von der Reibung und von dem Luftaustausch zwischen den verschiedenen Schichten abhängen. Dieser
Luftaustausch wirkt allgemein ausgleichend; die geringe Verschiedenheit der Windgeschwindigkeit in 500
und 2000 m Seehöhe weist darauf hin, daß wenigstens in der kälteren Jahreszeit diese Schichten der
Hauptsitz der vertikalen — Auf- wie Abwärts- — Bewegungen in der Atmosphäre sind.
Dagegen ist das verschiedene Verhalten der östlichen und westlichen Winde in dieser Hinsicht der
für gewöhnlich entgegengesetzten Änderung des barometrischen Gradienten mit der Höhe bei diesen Winden
zuzuschreiben. Der Luftdruck nimmt in warmer Luft langsamer nach oben ab als in kalter. Bei west
lichen Winden fällt nun bei uns im Durchschnitt die höhere Temperatur mit dem höheren Luftdruck zu
sammen, der barometrische Gradient nimmt daher nach oben zu (mindestens im Verhältnis zur abnehmenden
Dichte); bei östlichen Winden liegt dagegen die niedrigere Temperatur auf der Seite des höheren Drucks,
der Gradient verringert sich daher nach oben.
Ist z. B. in 500 m Seehöhe an einem Punkte a der Luftdruck 720 mm, und nimmt er nach S oder
SW davon ab, so daß er an einem anderen Punkte b in dieser Richtung 710 mm beträgt, so wird zwischen
beiden östlicher Wind wehen. Ist dann die mittlere Temperatur der Luftsäule zwischen 500 und 2000 m
Seehöhe über a —5°, über b +5°, so wird der Druck im letzteren Niveau über «591 mm, über b nicht
ganz 587 mm betragen, so daß der Druckunterschied zwischen a und b von 10 mm auf nur 4 mm ab
genommen hat. Der Gradient für östlichen Wind ist also in diesem Falle in 2 km Höhe weniger als halb
so groß, wie in 0.5 km Höhe, und in demselben Verhältnis würde die Windgeschwindigkeit abnehmen,
wenn nicht die Abnahme der Reibung und die vertikalen Lufttransporte dies teilweise wieder ausglichen.
Die Lage der Meere nördlich von Deutschland ließe erwarten, daß dieses Verhalten der östlichen.
Winde in der wärmeren Jahreszeit deutlicher hervortrete als in der kälteren; unsere Zahlen lassen dieses
aber nicht erkennen. Die Abschwächung aller horizontalen Temperaturunterschiede in der wärmeren
Jahreshälfte wirkt dem wohl entgegen.