A. Paulus: Die Reisen deutscher Segelschiffe in den Jahren 1893—1904 und ihre mittlere Dauer.
9
nächst durch das Gebiet der vorherrschenden Westwinde nach Süden zu gelangen, um so bald wie möglich
den NO-Passat zu erreichen. Ist dieser gefaßt, so bietet die zweite Hälfte der Reise im allgemeinen keine
besonderen Schwierigkeiten mehr, da der Rest des Weges bis zum Bestimmungshafen meist mit günstigen
Winden zurückgelegt werden kann.
Als Sclmellsegler bewährte sich auf diesen Reisen besonders die Bremer Bark „Elisabeth“, die
sowohl von Fair Island als auch von Lizard aus in 28 Tagen nach Savannah segelte. Auch ihre im Jahre
1901 unternommene Reise nach Pensacola ist die zweitschnellste im Bericht und wurde nur von „Auguste“
(36 Tage nach Pensacola) um einen Tag schneller gemacht. Diese Reise reicht zwar allerdings auch
noch nicht an dievon Maury') angeführte der „Aetos“ heran, die in 25 Tagen von Liverpool nach Mobile
segelte. Ausgezeichnete Reisen sind auch noch die von „Bruno und Marie“ mit 23 Tagen von Lizard nach
San Juan P.R., von „Dr. Siegelt“ mit 23 Tagen nach Port of Spain, von „Dona Luisa“ mit 27 Tagen nach
der Orinoko-Mündung und die von „Felix“ mit 26 Tagen nach Nickerie.
4. Auch für die Heimreisen von dem eben besprochenen Gebiete kommen im allgemeinen dieselben
Hafenplätze in Betracht wie für die Ausreisen, nur mit dem Unterschiede, daß von Tampa, Barbados und
Ciudad Bolivar fast gar keine Rückreisen nach Europa angetreten wurden, während von Brunswik an der
Ostküste Nordamerikas und von Laguna de Terminos im Golf von Mexiko mehrfach Schiffe für Europa
befrachtet wurden. Anders gestalten sich aber die Reisen selbst. Während nämlich von Europa aus :
gehend die Schiffe in bezug auf Wind und Wetter annähernd die gleichen Aussichten haben, gleichviel
nach welchem Hafen sie bestimmt sind, stehen auf den Rückreisen entschieden die von der Ostküste
Nordamerikas ausgehenden Schiffe im Vorteil gegenüber den vom Golf von Mexiko oder von Westindien
kommenden. Im ersteren Falle stehen die Schiffe beim Antritt der Reise meistens noch im Gebiete der
vorherrschenden Westwinde, und können ihren Kurs gleich den von New York oder Philadelphia aus
gehenden Schiffen nach Osten setzen, während die Schiffe, die von einem Hafen im Golf von Mexiko oder
von Westinlien die Rückreise antreten, noch erst einen Teil des NO-Passatgebietes durchsegeln müssen,
wodurch je nach der Lage des Abfahrtortes mehr oder weniger Aufenthalt entsteht, der erheblich auf die
Länge der mittleren Reisedauer ein wirkt.
Wenn auch im Golf von Mexiko die Windverhältnisse für heimkehrende Schiffe nicht die günstigsten
sind, so scheint dieser Nachteil doch durch die günstige Golfströmung teilweise wieder gut gemacht zu
werden, denn gerade von Mobile und New Orleans sind sehr rasche Heimreisen ausgeführt worden.
„Gertrud“ segelte in 25 Tagen von New Orleans, „Friedrich“ in 24 von Mobile nach Lizard. Diese Reisen
dürften noch die von „Julius“, „Elisabeth“ und „Prinzregent“ an Schnelligkeit übertreffen, die die Strecke
von Charleston und Savannah nach Lizard in der jedenfalls auch sehr kurzen Zeit von 21 Tagen zurück
legten. Ähnlich rasche Reisen sind auch noch im Nautical Magazine * 2 ) angeführt. „Rhine“ segelte in
24 Tagen von Trinidad nach Gravesend, „Erne“ in 22 Tagen von Barbados und „Ailsa“ in 23 Tagen von
Demerara nach Liverpool.
5. Reisen nach der Ostküste Südamerikas südlich vom Äquator hatten im letzten Jahrzehnt zum
größten Teil Para, Pernambuco, Bahia, Rio de Janeiro, Santos, Desterro und die Häfen des La Plata als Endziel.
Namentlich erfreute sich Santos eines regen Verkehres, der wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, daß
ein große Anzahl von Segelschiffen zum Heranbringen von Baumaterial für die in neuerer Zeit dort auf
geführten Hafenanlagen verwendet werden mußte. Vom Kanal oder von der Westküste Englands aus
gehend trachten die Schiffe, gleich den Westindienfahrern, sobald wie möglich den NO-Passat zu erreichen,
mit dessen Hilfe sie dann weiter nach Süden, dem Äquator zueilen. In seiner Nähe entsteht dann
gewöhnlich ein Aufenthalt, verursacht durch die vielen Stillen oder flauen und veränderlichen Winde
(Äquatorialkalmen), die das Gebiet des NO- von dem des SO-Passates trennen. Seltener gelingt es direkt
vom NO- in den SO-Passat hineinzulaufen; dann erzielen aber auch die Schiffe immer einen erheblichen
Vorteil für die ganze Reise. Ist der Äquatorialkalmengürtel glücklich durchkreuzt und der SO-Passat
erreicht, so bietet die letzte Wegestrecke im allgemeinen kaum noch besondere Schwierigkeiten, da der
b Vergl. Maurys Sailing Directions. Vol II, S. 101.
2 ) Vergl. Nautical Magazine 1900, S. 672, 673.
Archiv 1907. 1.
2