Nr. 1.
Der meteorologische Äquator im Stillen Ozean.
Yon l(. Westei'inann.
Mit zwei Tafeln.
Wäre der Boden des Luftmeeres konform, z. B. ganz mit Wasser von gleicher Tiefe, bedeckt, so
würde die Linie der stärksten Insolation zugleich die der größten Erwärmung sein. Sie liefe dem
terrestrischen Äquator parallel. Von ihr aus würden sich nach beiden Seiten die Wärme und die dadurch
bedingten meteorologischen Erscheinungen bei dem Fehlen eines jeglichen störenden Momentes systematisch
verteilen. Auf der physischen Erdoberfläche geben die Kontinente das störende Moment ab. Sie bedingen
Anomalien „von dem „mathematischen meteorologischen Äquator“, bedingen sie auch noch für das Gebiet
der großen Wasserflächen der Erde, wo sich sonst die Hypothese des mathematischen Klimas einigermaßen
bestätigt findet. Das hat für den Atlantischen Ozean Mühry in dem Aufsatze über „die Meteorologie des
Kalmengürtels“ x ) gezeigt. Für den Stillen Ozean mußte sich erst genügend Material ansammeln, um eine
darauf hingehende Untersuchung durchführen zu können. Man konnte allerdings aus den bisherigen Publika
tionen über diesen Ozean, die von der Deutschen Seewarte und den entsprechenden Instituten des Aus
landes herausgegeben sind, bis zu einem gewissen Grade den Begriff und die Lage des meteorologischen
Äquators herauslesen; definiert und festgelegt war er nicht.
Eine Definition ergibt sich aus der Theorie von den Ursachen und Wirkungen der großen Luft
zirkulationen zwischen dem Äquator und den Polen. Danach werden auf dem Breitenkreise, wo die mittlere
Temperatur der ganzen Luftmasse am höchsten ist, die Flächen gleichen Druckes in der Höhe am stärksten
gehoben, und es entsteht von da nach beiden Seiten gegen die Pole hin ein Gefälle der Flächen gleichen
Druckes (Hann). Dem Luftdruckrücken in der Höhe entspricht an der Erdoberfläche eine Furche niedrigen
Druckes, die nach ihrer Mittellinie zu von beiden Seiten die Luft ansaugt. Es entstehen regelmäßige Winde,
die Passate, die, je näher dem Ziel, desto mehr nach rechts bezw. links abgelenkt werden und an Ge
schwindigkeit verlieren. Mit dem aufsteigenden Lul'tstrom steigt der Wasserdampf empor und gibt die
Veranlassung zu einer Häufung der Hydrometeore.
Somit zeigt sich theoretisch der meteorologische Äquator als die Linie, die die Orte der höchsten
mittleren Jahrestemperatur auf den einzelnen Meridianen verbindet (thermischer Äquator), die aber auch
zugleich eine Trennungslinie annähernd symmetrischer Anordnungen der übrigen Elemente darstellt.
„Annähernd“ muß betont, braucht aber wohl nicht begründet zu werden. Von der Linie aus sollte nach
beiden Seiten der mittlere Luftdruck und die mittlere Windgeschwindigkeit wachsen, die mittlere Be
wölkung, Feuchtigkeit und Niederschlagsmenge und -häufigkeit abnehmen, und die mittlere Windrichtung
sollte auf ihr die kleinste meridional gerichtete Komponente aufweisen. Das bezieht sich auf die mittlere
Lage im Jahre, die der meteorologische Äquator in Wirklichkeit während eines Erdumlaufs nur zweimal
einnimmt. Für jeden kleinsten Zeitabschnitt wird er sich im Nordsommer nach Norden und zurück und
’) Zeitschrift der österr. Ges. für Meteorologie Bd. XI (1876), S. 161 ff. nach den Meteorol. Data for Square 3, London 1874.
Archiv 1906. 1. 1