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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1903 No. -1 —
für Borkum das Verhalten genau so, als wenn dieser Ort nicht auf einer Insel, sondern auf der gegenüber
liegenden Küste gelegen wäre. Hieraus muß geschlossen werden, daß sowohl die Inseln als das Wattmeer
die Einwirkung des der Küste zukommenden Seewindes nicht aufzuheben vermögen und dieser somit in noch
größerer Entfernung von der Küste eidsetzt.
Für Wustrow und Rügenwaldermünde, deren Küstennormale etwa um 60° von Nord nach West
abweicht, ergeben die Beobachtungen für die NE- und SW-Quadranten von der Theorie abweichende Vor
zeichen der Aenderungen; es ist hieraus zu schließen, daß die Seewinde für diese Orte wenigstens um 2h
nicht die von der Theorie verlangte Richtung haben, daß also diese Winde um 2h nicht senkrecht zur Küste
gerichtet sind, sondern eine gegen die Annahme geringere Abweichung von der auf den übrigen Stationen
herrschenden Richtung dieser Winde besitzen müssen — abgesehen von Memel und Keitum. Ebenso zeigt
Wilhelmshaven, daß die Seewinde nicht die der Station theoretisch zukommende lokale Abweichung
gegenüber den anderen Stationen besitzen. Es müssen für Wustrow, Rügenwaldermünde und Wilhelmshaven
die Seewinde am Nachmittag hiernach, zufolge Fig. III, aus Richtungen wehen, die zwischen 45° Ost und
West von Nord liegen, wie für die übrigen Orte, ausgenommen Memel und Keitum. Einwirkungen besonderer
Art weisen Neufahrwasser und Kiel auf, indem diese Orte eine Abweichung von der Theorie nur für
einen einzigen Quadranten zeigen; das gleiche deutet sich für Swinemfinde durch die geringe Größe der
Aenderung, wie auf Tab. II des Anhangs durch den jährlichen Gang dieser Aenderungen des NW-Quadranten
von 8" bis an. Es handelt sich in diesen Fällen um das gegenüber der Theorie zu geringe Auftreten
der Winde des NW - Quadranten um 2 P , wie dies auch die Kurven auf Tafel I hervortreten lassen.
Wenden wir uns nun zu der Aenderung der Windverteilung von 8" bis 2 P während des Winters, wie
sie Tab. I zum Ausdruck bringt, so ergeben sich ebenfalls sehr bestimmt ausgesprochene Verhältnisse, nur
treten die Aenderungen, wie zu erwarten, mit erheblich geringeren Werten auf, handelt es sich doch nur
um eine Einwirkung der Abschwächung der Landwinde. Memel und Keitum stimmen bis auf vereinzelte
Nullen vollständig mit der Theorie. Borkum und Wilhelmshaven zeigen so viele Nullen und weichen so
vielfach ab, daß für diese Orte die Einwirkung einer täglichen Periode der Stärke der Landwinde wenig
ausgesprochen erscheint und diese hier somit wenigstens in dem erwarteten Sinne nicht hervortritt. Der
SE-Quadrant stimmt durchweg mit seinen Vorzeichen und weist mit dem SW-Quadranten die größten Werte
auf, während die beiden nördlichen Quadranten kleinere und nur vereinzelt 1% übersteigende Werte zeigen.
Die Differenzen von Rügenwaldermünde für diesen Quadranten sind sehr auffallend groß; sie scheinen
bestimmt darauf hinzuweisen, daß hier auch für den Landwind um 2P eine Richtung rechts von der Küsten
normale anzunehmen ist; die Aenderungen erklären sich leicht unter der Annahme, daß hier neben der
Stärke-Schwankung von Morgen bis Nachmittag ein Rechtdrehen des Landwindes und dann bis zum Abend
wieder ein Zurückdrehen stattfindet..
Bezüglich der Aenderungen vom Nachmittag bis zum Abend müssen wir berücksichtigen, daß die
Seewinde bis zu einer uns unbekannten Stunde am Nachmittag zunehmen und dann erst nach dem Abend
hin abnehmen werden. Entsprechend der am Abend erwarteten geringeren Stärke der Seewinde und größeren
Stärke der Landwinde erwarten wir für die zum Abend hin auftretenden Differenzen die den vorigem ent
gegengesetzten Vorzeichen. Was zeigen diese Differenzen für April bis Juni? Wir begegnen einem großen
Unterschied in dem Verhalten des Ostens und Westens. Abgesehen von dem SW-Quadranten treten an der
Ostsee und in Keitum (bis auf den NW-Quadranten) durchweg die entgegengesetzten Vorzeichen gegen die
Vormittagsänderungen, an der Nordsee aber die gleichen Vorzeichen auf, bis auf den NW- und SE-Qua-
dranten in Borkum. Memel zeigt durchweg die entgegengesetzten Zeichen, hier hat die Kraft der See
winde seit dem Nachmittage sehr erheblich abgenommen. Bis auf den NW-Quadranten haben sich die
Zeichen auch in Keitum geändert, die auflandigen Winde des SW-Quadranten haben stark abgenommen,
während die des NW-Quadranten im Gegensatz zu Memel gegen Nachmittag zugenommen haben. Wilhelms
haven und Hamburg weisen durchweg gleichartige Aenderungen wie am Vormittag auf und dabei der
Nachmittag für Hamburg meist erheblich größere Beträge der Aenderungen. Borkum ergibt auch eine
größere Häufigkeit des NE-Quadranten am Abend. Diese Zahlen gestatten den Schluß, daß die Stärke der
Seewinde an der Nordsee zu einer späteren Nachmittagsstunde als an der Ostsee und besonders in deren
Osten ihre größte Stärke erreichen werden und daher am Abend an den zurückgelegeneren Orten der Nord
seeküste noch stärker als am Nachmittag in Erscheinung treten. Die Aendenmgen der Häufigkeit des SW-
Quadranten vom Nachmittag bis Abend, die nicht allein für Memel und Keitum, wie die Theorie erwarten