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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte —• 1901 No. 1 —
Washingtoner Weather Bureau, indem es die Enden der beiden zu verbindenden Drähte, statt sie zu splissen,
um dieselbe kleine Kausch legte und damit eine in beliebigem Winkel biegsame Verbindung dieser Drähte
herstellte, in die Kausch aber die Zweigleine zum Nebendrachen einband.
Für kleinere Aufstiege mit Handbetrieb ist dieses System auch nach den hiesigen Erfahrungen recht
zweckmässig. So ist in den 5 Aufstiegen während der Tage vom 4. bis 6. September 1901 jedesmal an eine
1150 m vom oberen Ende eingesplisste kleine Kausch ein Hülfsdrache von 2 qm Tragfläche angehängt worden
der den Abgangswinkel um 8° bis 16° hob und den Zug um einige kg vermehrte. Beim Aufwinden des
Drahtes wurde diese Kausch hart an den ltand der Trommel gelegt und kein Draht über dieselbe gewickelt,
sondern dieser Band beim weiteren Aufwickeln gemieden; so wurde keinerlei Schädigung des Drahtes durch
die Kausch möglich; 1 bis 2km Draht finden ganz gut auf diese Art neben der Kausch Platz; als Unter
lage des Drahtes könnte bei grosser Spannung die Kausch aber in der That den Draht beschädigen. Für
noch zweckmässiger würde ich es allerdings ansehen, die beiden Drahtenden über zwei verschiedene Kauschen
zu splissen und diese in trennbarer Weise zu verbinden (vergl. Abschnitt: kombinirbare Leine).
Bei diesen Befestigungsweisen können indessen Hilfsdrachen nur an wenigen vorher bestimmten Stellen
der Leine angefügt werden. Im Herbst 1899 habe ich, auf den Rath von Herrn Teisserenc de Bort, die in
Fig. 83 dargestellte Schraubenklemme aus einer oberen Aluminium- und einer unteren Messingplatte an
fertigen lassen, zwischen die der Hauptdraht und das Endauge des Nebendrahtes geklemmt werden. Das
Gewicht dieser Klemme beträgt 10 bis 11g. Auf dem Blue Hill wird eine ähnliche, aber etwas komplizirter
gestaltete Klemme angewendet, die wiederholt beschrieben und abgebildet worden ist. Die oben dargestellte
habe ich oft gebraucht; nachdem aber am 5. Dezember 1899 während des Fluges der Draht am Ausgang
einer solchen Klemme gebrochen ist, habe ich, einer Idee von Prof. Max Möller folgend, zwei solche Klemmen
mit einem Verbindungsstück benutzt, das durch seinen Bau nur stetige Krümmung und keinen Knick zu
lässt. Es besteht nämlich aus einem ca. 30 cm langen, mit einem Auge an jedem Ende versehenen Draht,
an welchen mehrere stufenweis kürzere Drähte angepresst sind; das ganze habe ich mit gepichtem Garn
bekleiden und dabei in der Mitte eine Schnur von 3 mm Durchmesser und ca. 40 cm Länge einsplisscn
lassen, zum Anbinden der Leine des Nebendrachens. Man kann diese Schnur auch in ein paar Schlingen
um den Hauptdraht herumlegen; Fig. 84 zeigt das Aussehen und die Anwendung dieser Klemme.
Die Schrauben an diesen Klemmen müssen so scharf angezogen werden, dass sich der Draht in die
Aluminiumplatte hineinpresst, andernfalls gleitet durch den starken Zug des Hilfsdrachens die Klemme auf
wärts bis zum ersten Ilinderniss, also eventuell bis zur obersten Kausch. Der Prozess des Anheftens ist
daher etwas umständlich, um so mehr, als das Festschrauben und Lösen mit gewöhnlichem Schraubenzieher
schwierig und nicht ungefährlich ist, weil es ohne Stütze in der Luft geschehen muss; ich habe mir einen
geeigneten Schraubenzieher erst dazu herstellen lassen.
Neuerdings ist diese Frage der Anheftung von Nebendrachen an den Draht in völlig befriedigender
Weise durch Herrn Knopp, Assistent auf dem Aeronautischen Observatorium zu Berlin-Tegel gelöst worden.
Die Klemmung des Drahtes geschieht in der von ihm erfundenen Vorrichtung nur durch den Zug der Drachen
selbst; wird dieser Zug aufgehoben, so ist die Klemmung, die nur in der Nöthigung des Drahtes zu einer
leichten S-förmigen Biegung besteht, aufgehoben. Die Klemme des Herrn Knopp lässt sich deshalb fast
momentan ansetzen und auch wieder entfernen, was besonders zu Zeiten, wenn die Drachen fallen und nur
durch rasches Einholen zu halten sind, sehr wichtig ist.
Bei den Drachen versuchen der Seewarte habe ich, wenn mehrere Drachen zur Verwendung kamen,
1898 fast ausschliesslich Eddy’s System der Zweigleinen angewendet, 1899 aber sehr oft an die Spitze ein
Gespann von 2 bis 4, in Abständen von 20 bis 60 m, hintereinander geschalteten Drachen gestellt, deren
jeder mit einer oder zwei Schnüren an den nächst niedrigeren, wie in Fig. 25, gefesselt war. Diese Methode
lässt einem grössere Freiheit gegenüber der wechselnden Richtung und Stärke des Windes und bietet manche
Bequemlichkeit in der Hantierung mit Drachenflächen von insgesamt 5 bis 10 qm. Bei Malay-Drachen ist
die Zusammenfügung stets so geschehen, dass eine stärkere Schnur zwischen zwei Punkten nahe den Kopf
enden und eine schwächere zwischen zwei solchen in der Nähe der Schwanzenden der Drachen gezogen
wurden. Man hat dann die Sicherheit, dass die Druckpunkte an beiden Drachen zwischen diesen Schnüren
liegen, und ihr Flug durch die Fesselung nicht durchgreifend gestört wird. Die Schwanzschnur muss V2 oder
lm länger sein, als die Kopfschnur. Bei dieser Anordnung können die Drachen beliebige Form und An
hängsel haben, da eine Verwickelung mit der Schnur beim Fliegen kaum in Frage kommt. Die Anbringung