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Full text: 24, 1901

W. Koppen : Erforschung der freien Atmosphäre mit Hülfe von Drachen. 
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Soll die Meteorologie von dem Kleben am Boden sich befreien, so müssen also unbedingt noch andere 
Mittel benutzt werden. Der Römische meteorologische Kongress hat dazu, ebenso wie sein Wiener Vorgänger, 
die Fortsetzung der von Glaisher 18(12—18(>9 angestellten Studien mit Hülfe von Aufstiegen im Ballon und 
insbesondere im Fesselballon empfohlen. Der meteorologische Kongress in Paris im Jahre 189G hatte, in 
dem er diese Empfehlung wiederholte, bereits die schöne Reihe freier Ballonfahrten der Jahre 1893 und 94 
in Preussen vor Augen und konnte zwei neue Methoden hinzufügen, die schon bedeutende Erfolge aufwiesen 
und noch grössere versprachen: (1) unbemannte Ballons mit Registrirapparaten für sehr grosse Höhen und 
(2) Drachen. Für beide war die Konstruktion sehr leichter, zuverlässiger Registrirapparate eine Vorbedingung, 
die jetzt erfüllt war. Mit den ersteren, den „ballons sondes“ haben wir uns hier nicht zu beschäftigen, da 
sie bisher nur für das Studium der höchsten, gegenwärtig auf keine andere Weise zugänglichen Luftschichten 
oberhalb 8000 m über Meer benutzt wird, in der ständigen Erforschung der freien Atmosphäre zwischen 
300 und 4000 m Höhe ringen aber, da Fahrten mit bemannten freien Ballons immer nur Ausnahmefälle 
sind, der Fesselballon und der Drachen um den Preis. Bis jetzt bat indessen der Fesselballon, ausser den 
lehrreichen Fahrten von Glaisher 18(>9 und von Sherman 1879, die aber nur wenig über 300 m liinausgingen, 
für die Meteorologie noch fast nichts geleistet. Im Jahre 1889/90 hat freilich der Berliner Verein für Luft 
schiffahrt grosse Hoffnungen auf einen unbemannten Fesselballon für Registrirapparate gesetzt, der nur 
Ü 1 /« m Durchmesser bekam und bis 800 m hoch steigen sollte. Aus der Zeitschrift des Vereins, Jahrgang 
1890, ersieht man (S. 54), dass die Kosten von Ballon und Zubehör etwas über 2000 Mark betragen haben; 
seine ersten Aufstiege sind auf S. 224 beschrieben; die Registrirungen waren aber unbrauchbar, weil die 
Schreibstifte zu stark geschwankt batten. Dieser Ballon batte noch die Kugelform; da aber ein Fesselballon 
Wege durch die Luft zu machen bat, so gelten für ihn diejenigen Ueberlegungen, die zur Annahme der 
Cigarrenform für die Luftballons mit eigener Triebkraft geführt haben, und da man am Drachen sieht, wie 
man bei einem gefesselten Körper aus dem Winde, der den kugeligen Fesselballon niederdrückt, einen Träger 
machen kann, der ihn hebt, so lag es nahe, die Kugelform, die für freie Ballons die beste ist, für Fessel 
ballons aufzugeben; die Frage der technischen Ausführung aber war schwierig genug. Zuerst hat 1887 
Archibald einen kleinen Ballon mit davorgesetztem Drachen gebaut. Beim Versuche (vgl. Nature, Bd. 36, 
S. 278) stand der Ballon ohne Drachen 38°, mit Drachen 41 ?o; ausserdem war der Zug viel stärker. Im 
merhin ist ein Höhenwinkel 41°5 für einen Drachen noch ziemlich ungünstig, der Ballon war also in diesem 
Falle mehr schädlich, als nützlich, und gab nur die Beruhigung, dass bei allfälligem Abflauen des Windes 
die Instrumente nicht zu Boden fallen würden. 
In neuerer Zeit haben die Herren von Parseval und von Siegsfeld in jahrelanger geduldiger Arbeit dem 
Fesselballon selbst eine Gestalt gegeben, in der er auch von starkem Winde nicht zu Boden gedrückt, sondern 
nach Art eines Drachens getragen wird. Dieser „Drachenballon“ wird von der Firma Riedinger in Augsburg 
auch iu kleiner Form allein zum Heben meteorologischer Apparate gebaut, wobei er aber immerhin eine 
Länge von 9 bis 12 m bei einem Durchmesser von 2 x 'h bis 3 m haben muss. Der Druck des Windes auf 
einen solchen Ballon ist weit grösser, der Winkel aber, unter dem er stellt, schon bei massigem Winde 
merklich ungünstiger, als derjenige eines Drachen-Gespanns. Es kann also auch der Drachenballon wohl 
nur als ein kostspieliger Nothbehelf für den Drachen angesehen werden, der dort einzutreten Hat, wo der 
Wind zum Heben des Drachens mangelt. Wenn Herr Riedinger in den 11]. Aeronaut. Mitth., Aprilheft 1901 
(S. 60) behauptet, der Drachenballon sei im Betriebe sogar .billiger, als die Drachen, so beruht das wohl 
auf einer starken Ueberschätzung der Kosten des Drachenbetriebes. Ob der Prozentsatz der Unfälle beim 
Drachonballon kleiner ist, als beim Drachen, darüber lässt sieb nichts Bestimmtes sagen, da für 1 leide keine 
Statistik vorliegt. Wo genug Wind vorhanden ist, da hat der Fesselballon nur den klaren Vortheil vor dem 
Drachen, dass seine Hantirung zwar mehr Kraft, aber weniger Kunst verlangt, da er in jeder Stellung von 
einer dauernden Kraft hinaufgetrieben wird. Für Aufstiege von mehr als 2000 m Höhe für die der Drachen 
den Beweis seiner Brauchbarkeit längst in zahlreichen erfolgreichen Aufstiegen vollkommen erbracht hat, 
kommt der Drachenballon zur Zeit kaum mein- in Frage. 
Meteorologische Drachen. Es gehört freilich ein grosses Maass von Geduld dazu, um mit einer so 
launischen Kraft, wie der Winddruck, und mit so wenig stabilen Gleichgewichtszuständen, wie die Drachen 
sie bieten, erfolgreich zu arbeiten. Durch jahrelange Ausdauer ist es einer Reihe von Männern, meistens 
ausserhalb Europas, gelungen, den Drachen aus einem Kinderspielzeug zu einem wichtigen wissenschaftlichen 
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